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Kapitel 2: Jäger und Gejagte

Beschreibung: Evan und Leuven haben die Burg Haren verlassen. Auf ihrer beschwerlichen Reise zur Hauptstadt Rabensberg wird Leuven erst wirklich bewusst, in welch gefährliche Welt er sich gewagt hat. Doch auch, wenn er gehofft hatte, sich weiterhin in der Sicherheit, die Evan ihm bot, wähnen zu können, hat dieser andere Pläne. Ihre Wege trennen sich, denn der Halbdämon bereitet sich auf ein Treffen mit einem alten Bekannten vor.

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Teil 5

Die Nacht breitete sich über Rabensberg aus, und ihre Schatten verschlangen die Straßen.

Die Dächer der Stadt lagen still unter dem Schleier der Dunkelheit, nur vom fernen Licht der Kathedrale erleuchtet.

Evan und Sarra hatten sich auf einem der höchsten Punkte niedergelassen, von wo aus sie die hellen Fenster der Kathedrale glänzen sehen konnten.

Der mürrische Ausdruck auf Evans Gesicht wurde von einem Schmerz durchzogen, als er sich auf dem Dach niederließ und die klaffende Wunde an seinem Bein begutachtete. Das schwarze Blut, das in seinen Adern floss, hatte sich rundherum um die Verletzung verteilt.

»Das habe ich auch noch nie gesehen«, sagte Sarra, als sie dies erblickte. »Dämonisches Blut, das durch den Körper eines Menschen fließt.«

»Tja, nur bin ich kein Mensch mehr. Schon lange nicht mehr«, gab Evan knurrend zurück.

»O, der Herr wird melancholisch. Aber lass dich nicht von dem herunterziehen, was Rowan dir angetan hat.«

»Du weißt also, dass Rowan dafür verantwortlich ist?«, fragte der Halbdämon verdutzt.

Sarra nickte gedankenverloren. »Rowans Arbeit ist mir durchaus bekannt. Aber ich hätte niemals daran gedacht, dass eines seiner Experimente ein Erfolg sein könnte. Aber als ich von dir hörte, war mir klar, dass ich dich finden musste.«

»Experimente? – Ich bin für dich also nur ein Experiment?«

»Für Rowan bist du es zumindest«, sie schaute Evan tief in die Augen. »Was weißt du über ihn?«

»Nicht viel«, gab der Halbdämon zurück. »Ich verbringe schon etliche Jahre mit der Suche nach Antworten. Ich habe verschiedene Personen aufgesucht, nur um an Informationen über Rowan zu gelangen. Mehr als seinen Namen habe ich aber nicht. Ich habe die verschiedensten Dämonen gejagt, aber bisher ohne Erfolg.«

»Dämonen? – Weshalb hast du dich von der Jagd nach Dämonen ablenken lassen?«

»Woher sollte ich sonst an Informationen gelangen, wenn nicht durch Seinesgleichen?«

»Hah!«, Sarra lachte kurz auf und verstummte dann, als sie erkannte, dass Evan tatsächlich nicht wusste, worum es ging. »Rowan ist kein Dämon.«

»Was sagst du da?«

»Rowan ist, genau wie ich, ein Eldári. Allerdings gehört er einer radikalen Gruppe an, die die Menschen hasst. Dafür, dass sie unsere Ahnen vor Urzeiten aus diesen Landen vertrieben haben. Für euch Menschen scheinen wir irgendwelche Sagenwesen zu sein, aber eure Geschichte ist eng mit der unseren verwoben. Der große kontinentale Krieg zwischen den Königreichen vor einem Jahrhundert? – Was glaubst du, wer im Hintergrund die Strippen gezogen und die Könige gegeneinander aufgehetzt hat?«

»Du veralberst mich doch!«, wandte Evan ein, doch in Sarras Augen lag nur Ernsthaftigkeit.

»Rowan hat sich einer ganz besonderen und vor allem makaberen Leidenschaft hingezogen. Er ist unter uns auch als der Doktor bekannt.«

»Der Doktor?«

»Du bist kein Einzelfall, Evan. Rowan hat seine Experimente an den verschiedensten Wesen ausgeübt. Er hat Wölfe mit Ebern gekreuzt, Schlangen mit Adlern. Du warst der Versuch, einen Menschen mit einem Dämon zu kreuzen. Wie ich hörte, schlugen alle seine Experimente in dieser Richtung fehl, deshalb bin ich sehr überrascht, dass die Gerüchte über dich wahr sind.«

Evan blieb der Atem stocken. Konnte das wirklich wahr sein?

»Aber, warum tut er so was?«

»Das will ich herausfinden. Meine Sippe und ich glauben, dass er für seine Gruppe eine Armee zusammenstellen will, aber seine Experimente scheitern jedes Mal. Da du dich jetzt aber sehr offen gezeigt hast, könnte das für Rowan der Beweis sein, dass er Erfolg hatte. Vielleicht ist das der Grund, warum man dich in Haren nicht getötet hat. Aber sicher bin ich mir nicht. Deshalb wollte ich dich heute Nacht nicht allein lassen. Sollte Rowan an dein Blut gelangen, könnte ihm das wichtige Informationen darüber geben, wie er es verwenden kann.«

»Ich kann das alles nicht glauben«, stöhnte der Halbdämon.

»Tja, glaub es oder glaub es nicht. Fakt ist, wir dürfen nicht kopflos handeln. Ich habe versucht, dich davon abzubringen, aber du wolltest nicht auf mich hören. Also wirst du in die Kathedrale gehen und herausfinden, was uns dort erwartet. Besser gesagt, wer uns dort erwartet.«

»Sagtest du nicht, Rowan will mein Blut?«

»Richtig. Lassen wir seine Anhänger glauben, dass sie es sich einfach holen können.«

»Und was wirst du tun?« Evans Augen weiteten sich aufgeregt.

»Ich halte mich bedeckt. Sollte Gefahr drohen, werde ich sofort einschreiten.«

Evan lachte kurz auf. »Ich brauche keine Hilfe.«

Sarra blickte ihn scharf an. »Du brauchst vor mir nicht den Helden zu spielen. Außerdem bist du offenbar das Ziel. Es wäre gut, wenn derjenige, der dort wartet, sich vorerst in Sicherheit wiegen kann.«

Sie senkte ihre Stimme und erklärte ihren Plan, während sie sich in die Schatten zurückzog. „Evan, wir müssen uns geschickt bewegen. Ich werde einen anderen Eingang suchen, um unbemerkt in die Kathedrale zu gelangen. Du konzentrierst dich darauf, herauszufinden, wer dort auf uns wartet. Wenn du ihn in deiner Gewalt hast, stell ihm Fragen zu Rowan. Achte darauf, dass euer Gespräch unauffällig bleibt.“

Ihre Augen durchbohrten die Dunkelheit, als sie fortfuhr: „Sollte es Komplikationen geben, bewahre Ruhe. Ich werde in der Nähe sein und einschreiten, wenn nötig. Aber versuche, die Kontrolle zu behalten. Wir wollen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Verstanden?“

Evan nickte, während ein Schatten der Entschlossenheit über sein Gesicht huschte.

Sarra verschmolz erneut mit der Nacht, hinterließ einen Hauch von Vertrauen und Unsicherheit gleichermaßen.

Der Halbdämon erhob sich. Ein stechender Schmerz durchfuhr sein Bein. »Verdammt. Ich hasse das.«

»Bist du dir sicher, dass es dich nicht behindern wird?«, fragte Sarra und kniff die Augen misstrauisch zusammen.

»Es wird schon gehen. Es nervt, aber ich werde es überleben.«

Die beiden starrten schweigend auf die zwei mächtigen Türme der Kathedrale, die sich vor ihnen auftürmten wie das dunkle Herz der Stadt. Ein Hauch von Mysterium umgab das imposante Gebäude.

Sarra, von einer Aura des Misstrauens umgeben, riss ihren Blick von der Kathedrale los und wandte ihn Evan zu. „Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor jemand auf uns aufmerksam wird. Je weniger Augen auf uns gerichtet sind, desto besser.“

Evan nickte zustimmend, während sein Blick kurz zu der schwarzen Wunde wanderte. Der Schmerz pulsierte in seinem Bein, doch er verdrängte ihn, um sich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren.

Gemeinsam verließen sie den Aussichtspunkt der Dächer und schlichen sich durch die schmalen Gassen, bereit, sich den Herausforderungen in der Kathedrale zu stellen.

Die Sankt Tristanius-Kathedrale erhob sich majestätisch über den nächtlichen Himmel von Rabensberg.

Ihre hohen Türme durchdrangen die Dunkelheit wie spitze Nadeln, die den Himmel berührten.

Die äußere Fassade präsentierte kunstvoll gestaltete Skulpturen und Ornamente, die von einem Hauch von Geheimnis und Spiritualität umgeben waren.

Das massive Eichentor, verziert mit filigranen Schnitzereien, öffnete sich in eine Welt der Stille und Andacht.

Ein Schauder durchzog die luftige Halle, als Evan die Schwelle übertrat, und das fahle Licht der Kerzen warf schaurige Schatten an die Wände.

Die Kirchenbänke erstreckten sich in Reihen, als wären sie stumme Zeugen der unzähligen Gebete, die im Laufe der Zeit in dieser heiligen Halle gesprochen wurden.

Bunte Glasfenster mit kunstvollen Szenen aus uralten Geschichten ließen das Mondlicht in schimmernden Farben auf den Steinboden fallen.

Die Kathedrale wirkte wie ein lebendiges Geschichtsbuch, dessen Seiten von den ehrfürchtigen Händen der Gläubigen und frommen Pilger über die Jahrhunderte hinweg geblättert worden waren.

Am anderen Ende der Halle ragte ein beeindruckender Hochaltar empor, mit vergoldeten Verzierungen, die im Schein der Kerzen und Laternen glänzten.

Das Zentrum des Altars war von einer lebensgroßen Statue des Heiligen Tristanius gekrönt, dessen Gesichtsausdruck eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und göttlicher Gnade zu vermitteln schien.

In den heiligen Schriften stand geschrieben, dass Tristanius einer der ersten Menschen war. Er suchte seinen Platz in der leeren und kahlen Welt, ehe er auf einen Berg stieg, wo er freundlich von den Göttern empfangen wurde.

Fortan pilgerte er durch die Lande und verkündet deren Worte.

Die Kathedrale von Sankt Tristanius atmete Geschichte und Mystik, und die Stille in ihren Gemäuern schien das Flüstern der Jahrhunderte widerzuspiegeln.

Evan entdeckte vor dem Altar eine Person in einer weißen Kutte. Kniend schien sie zu den Göttern zu beten.

Die dunkelblauen und goldenen Verzierungen der Kutte schimmerten im Kerzenlicht, und ein Hauch von Heiligkeit umgab die geheimnisvolle Gestalt.

Evan war sich sicher, dass es sich um den Priester handeln musste. Das Oberhaupt der Kirche in Rabensberg.

Er trat näher, seine Augen auf den knienden Priester gerichtet.

Der Gedanke, dass dies der Informant sein könnte, durchzuckte ihn. Ein Priester war jedoch eine Wendung, mit der er nicht gerechnet hatte.

Skeptisch ließ der Halbdämon seinen Blick durch das heilige Gemäuer schweifen, konnte jedoch niemanden sonst ausmachen.

Konnte ein Priester wirklich der Drahtzieher dieses geheimnisvollen Treffens sein? – Zweifel mehrten sich in ihm, als dieser auf keinerlei Ansprache reagierte.

Evan trat näher heran, sprach den Priester direkt an, aber erhielt keinerlei Antwort.

Als der Halbdämon um die Person herumwanderte, erkannte er auch sofort weshalb. In dessen Kehle steckte die Klinge eines versilberten Dolches.

Das Blut tropfte geräuschlos auf den kalten Stein.

Ein Schauer lief Evan über den Rücken.

Der Tod hatte die heiligen Pforten durchtreten, und die unheimliche Stille der Kathedrale wurde von der Gewissheit durchzogen, dass in diesem ehrwürdigen Ort etwas Dunkles und Unheilvolles lauerte.

Evan zog sich langsam von dem leblosen Körper des Priesters zurück, seine Gedanken wirbelten in einem Strudel aus Verwirrung und Misstrauen.

Der kalte Steinboden unter seinen Füßen schien ihm keine Sicherheit zu bieten, als er seine Sinne schärfte und seine Ohren spitzte.

Dann drang plötzlich ein hämisches Gelächter, aus den Schatten der Kathedrale, an seine Ohren.

Ein unheilvolles Duo an Gelächter, das sich hin und her bewegte, durchdrang die düstere Stille und ließ eine unheimliche Atmosphäre in der heiligen Halle aufkommen.

Evan, von einem unbestimmten Unbehagen erfasst, richtete seinen Blick auf die Finsternis, aus der das Gelächter zu kommen schien.

Ein Gefühl von Gefahr umgab ihn, während er darauf vorbereitet war, dem Unbekannten entgegenzutreten.

Aus der düsteren Dunkelheit der Kathedrale traten zwei Gestalten hervor, wie Schatten, die zum Leben erwachten.

Der erste war ein männlicher Eldári, dessen schwarze, lange Haare auf dessen Schultern fielen.

Seine stechend gelben Augen verrieten eine unnatürliche Kraft, während er in schwerer Lederrüstung gehüllt war.

In seiner kräftigen Hand ruhte der hölzerne Griff eines Morgensterns, an dessen Ende eine mit Stacheln gespickte Metallkugel angebracht war.

An seiner Seite stand eine weibliche Eldári, ihre Haare in einem strahlenden Weiß gehalten, und ebenso mit den markanten gelben Augen.

Ihre dünne Lederrüstung deutete darauf hin, dass für sie Agilität und Schnelligkeit die Verteidigung waren, auf die sie vertraute.

In beiden Händen trug sie gefährlich wirkende, geschwungene Dolche, die im schwachen Licht der Kathedrale glitzerten.

Die beiden Fremden näherten sich Evan mit hämischem Lächeln und einer Aura der Gefahr.

In der Stille der Kathedrale hallten nur noch die langsamen Schritte der Eldári wider.

Während Evan sich den beiden Fremden gegenübersah, wagte Sarra einen anderen Weg in die Kathedrale.

Ihr Weg führte sie durch einen düsteren Raum in einem der alten Türme, dessen Boden kaum befestigt war.

Über schmale Holzplanken balancierte sie geschickt, während der Raum um sie herum vom sanften Wind umschmeichelt wurde und den örtlichen Tauben zahlreiche Nistplätze boten.

Die gedämpften Geräusche aus der Altarhalle erreichten sie, begleitet vom Gelächter der beiden Eldári, deren Anwesenheit bereits den Raum durchdrang.

Als sie den Kerzenschein aus der Halle erspähte, und sich darauf vorbereitete, über einen Balken zum Eingang der gegenüberliegenden Kanzel zu springen, stoppte sie abrupt.

Ein merkwürdiger, unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase.

Sarra blieb auf dem Balken stehen und spähte in die Dunkelheit des Raums, während sich ihre Sinne schärften und sie die Gefahr erkannte, die ihr im Verborgenen lauerte.

Sie vernahm nicht nur den beißenden Geruch von Sprengpulver in der Luft, sondern auch einen Hauch eines nussigen Duftes.

Die Spannung in der Kathedrale war greifbar, als sich Evan mit seiner Hand am Schwertgriff und der männliche Eldári mit dem bedrohlichen Morgenstern gegenüberstanden.

Die Atmosphäre war von einem stillen Pulsieren erfüllt, als würde die Kathedrale selbst den Atem anhalten.

»Du bist also der Halbdämon, nach dem sie suchen«, merkte der Eldári mit bedrohlicher Stimme an. »Besonders stark siehst du ja nicht aus.«

»Sei achtsam, Bardok«, gab seine Begleiterin zurück und streckte ihre Dolche bedrohlich vor. »Er mag vielleicht nicht so aussehen, aber Wenzel hat uns eindringlich vor ihm gewarnt.«

»Wenzel«, spuckte der muskulöse Eldári. »Was weiß der schon!«

Bardok spannte seinen Rücken an und machte einen großen Schritt auf Evan zu.

Doch mit geschmeidiger Eleganz landete plötzlich Sarra, die zuvor von der Kanzel gesprungen war, zwischen den dreien.

Ihr Auftritt schien wie ein plötzlicher Sturm, der durch die Halle wirbelte.

Die beiden Eldári wirkten für einen Moment überrascht, doch ihr Erstaunen wich schnell einer grimmigen Entschlossenheit.

»Sarra?«, fragte die weibliche Eldári und biss sich dabei überrascht auf die Lippe.

»Kyra«, gab Sarra giftig zurück. »Dass du es wagst, und Bardok, nun von dir, Hohlkopf, habe ich nichts anderes erwartet.«

»Halt dein Maul!«, schimpfte dieser.

Kyra setzte ein Lächeln auf und nahm eine entspannte Haltung ein. »Lang ist es her. Dass du dich aber auf die Seite dieses Halbdämons stellst, damit hätte ich nicht gerechnet.«

»Dass ihr euch Rowan und seinem Gefolge anschließt, damit hätte ich niemals gerechnet«, erwiderte Sarra.

Sie machte einen Satz zurück und senkte ihre Stimme, als sie zu Evan sprach. »Hör zu, wir haben ein Problem.«

»Ich sehe sie«, antwortete dieser, während sein scharfer Blick zwischen den Eldári hin und her wanderte.

»Das meine ich nicht. Die beiden haben Sprengsätze in der Kathedrale versteckt. Ich konnte keinen Zünder finden. Aber wir müssen sie schnell erledigen, ehe sie das ganze Gebäude in die Luft jagen.«

»Ist das dein Ernst?«, fragte Evan aufgebracht, mit weiten Augen.

Kyra verlor langsam die Geduld. Wie eine Schlange zischte sie und streckte einen ihrer Dolche nach vorn. »Was soll das Flüstern? – Hier sind wir.«

Evan und Sarra wurden still und blickten finster zu ihr und Bardok hinüber.

Der Halbdämon übernahm das Wort. »Wenn ihr Untergebene von Rowan seid, dann bringt mich zu ihm. Wenn er mein Blut will, dann kann er es bekommen, ohne, dass es vergossen wird.«

Bardok lachte schelmisch auf. »Was soll Rowan mit dir anfangen? Er will, dass du ihn in Ruhe lässt. Dafür sorgen wir!«

Mit lautem Gebrüll stürmte der Eldári auf den Halbdämon zu, den Morgenstern über seinem Kopf erhoben.

In letzter Sekunde konnte Evan dem Angriff ausweichen.

Mit einem lautem Donnern zerberstete neben ihm das Holz einer Sitzbank.

Erschrocken beobachtete Sarra die Szene. Doch sie musste schnell reagieren, denn Kyra sprang mit gestreckten Waffen auf sie zu.

Blitzartig zog Sarra ihre Dolche und konnte so den Angriff ihrer Gegnerin knapp abwehren.

Mit einem satten Tritt in den Magen, konnte sie Kyra von sich stoßen.

»Du hältst dich für so schlau!«, schrie diese angestrengt. »Aber du stehst auf der falschen Seite und merkst es nicht.«

Mit flüssiger Bewegung konterte Sarra Kyras Angriffe.

Ihre Dolche blitzten im schwachen Kerzenlicht der Kathedrale auf. Das metallische Aufeinanderprallen der Klingen erfüllte den Raum, begleitet von den Schritten der kämpfenden Gestalten.

Sarra, mit einer übermütigen Frechheit im Blick, schien einen Moment lang einen Vorteil zu gewinnen.

Evan hingegen hatte alle Hände voll zu tun, den gewandten Hieben von Bardok auszuweichen.

Der Morgenstern wirbelte wild umher, und obwohl Bardok eine schwere Lederrüstung trug, schien er erstaunlich agil zu sein. Jeder seiner Angriffe war präzise und zielgerichtet.

Der Halbdämon versuchte verzweifelt, eine Gelegenheit zu finden, um zum Gegenangriff überzugehen, doch Bardok ließ ihm keine Atempause. Immer wieder zwang er Evan in die Defensive.

Das Schwert des Halbdämons schwang durch die Luft, doch die Angriffe verpufften wirkungslos, während der Morgenstern ihm gefährlich nahekam.

Sarra und Kyra wirbelten weiter durch den Raum, ihre Klingen kollidierten erneut und erzeugten Funken im Halbdunkel der Kathedrale.

Das Krachen von Metall auf Metall vermischte sich mit den drohenden Schritten der Kämpfenden.

»Sag mir, wo Rowan ist!«, schimpfte Sarra und wehrte währenddessen einen Hieb ab.

»Niemals!«, gab Kyra angestrengt zurück. »Ich lasse nicht zu, dass ihr seine Pläne durchkreuzt!«

Kyra zwang Sarra zu Boden, aber sie nutzte die Chance nicht, um Sarra einen Dolchstoß zu versetzen.

Mit geschmeidigen Bewegungen sprang sie auf den Altar und griff nach einer flackernden Kerze. Zielgerichtet warf sie diese in den hölzernen Aufbau der Kanzel.

Wie gelähmt und mit weit aufgerissenen Augen blickte Sarra ihr hinterher. Sie wusste genau, was geschehen würde.

Nur einen Moment später ertönte ein lauter Knall, der in der gesamten Kathedrale widerhallte.

Flammen züngelten aus der Kanzel, und die Halle wurde von dunklem Rauch erfüllt.

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Leuven saß schweigend auf dem Kutschbock seines Planwagens, der sanft von Ida gezogen wurde.

Die Stute bewegte sich bedächtig durch die nahezu verlassenen Straßen, während sich die nächtliche Ruhe über die Stadt legte.

Nur noch wenige Menschen waren auf den Straßen unterwegs.

Einige feierten in den unzähligen Tavernen der Stadt, während sich andere bereits schwankend auf den Heimweg machten.

Der Tag hatte sich für Leuven als enttäuschend erwiesen, und die traurige Stimmung spiegelte sich in seinem Gesicht wider.

Selbst seine besten Kleidungsstücke brachten ihm nur einen Bruchteil dessen ein, was er sich vorgestellt hatte.

Er blies die Luft aus seinen aufgeplusterten Wangen. »Ach Ida, was sollten wir nur tun? – Nach Hause konnten wir nicht. Vielleicht in den Norden, ans Meer?«

Die Stute antwortete nicht, sondern bewegte sich weiter träge die Straße entlang.

»Oder nach Westen«, entgegnete Leuven und verzog seinen Mund. »In Cadeira soll es wunderschön sein. Weite Weinfelder, klare Seen und Flüsse und die besten Köstlichkeiten des Kontinents. O meine Liebe, das würde dir sicherlich gefallen. Ich habe soviel über das Land gehört.«

Dann atmete der junge Mann tief durch. »Aber vermutlich auch alles nur Lug und Trug.«

Plötzlich durchzuckte ein lauter Knall die nächtliche Stille, und sowohl Leuven als auch Ida schraken auf.

Sofort erfüllten aufgeregte Schreie die Luft, und die Menschen begannen sich hektisch umzusehen, ihre Augen voller Sorge und Verwirrung.

Einige zuckten zusammen und hielten sich die Ohren zu, während andere angestrengt versuchten, die Quelle des lauten Geräuschs ausfindig zu machen.

Die Stimmung war von plötzlicher Unruhe erfüllt, als sich schnell die Nachricht verbreitete, dass der Knall aus der Kathedrale gekommen war.

Ein ungutes Gefühl durchzog Leuvens Gedanken. Schnell konzentrierten diese sich auf einen bestimmten Punkt, Evan.

Ohne zu zögern wandte sich Leuven an Ida, seine treue Begleiterin. »Ich weiß, was du denkst, aber vielleicht brauchte er unsere Hilfe.«

Sie antwortete mit einem kurzen Wiehern. Dies vernahm der junge Kaufmann als Bestätigung seiner Worte.

Er trieb die Stute an, der Wagen drehte sich polternd, und sie eilten in die Richtung des ungewissen Geschehens.

In der Menge waren die Stadtwachen zu erkennen, die aufgeregt in die Richtung der Kathedrale stürmten.

Leuven musste sich beeilen, das war ihm bewusst.

Er nahm die Zügel entschlossen in seinen Griff.

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Der Rauch breitete sich in der Kathedrale aus, während die Flammen auf die Banner und alten, trockenen Stützpfeiler übergriffen.

Mit eleganten Sprüngen über den Altar konnte Kyra den Attacken von Sarra ausweichen.

Hämisch grinste sie und schlug mit einem gekonnten Fußtritt ihrer Gegnerin einen der Dolche aus der Hand.

Sarra bleckte wütend die Zähne. »Was erhofft ihr euch davon?«

»Was wir uns davon erhoffen?«, fragte Kyra lachend und blickte sich in der Kathedrale um. Das Bild erfreute sie. »Die Menschen sollen Ehrfurcht zeigen. Sie haben uns alles genommen, treten unsere Geschichte mit Füßen. Jetzt wehren wir uns!«

»Und ihr glaubt, so könnt ihr euer Ziel erreichen?« Sarras Gesicht drückte ihre Ungläubigkeit aus.

Kyra lächelte nur mit bösartigem Gesicht.

Evan tat sich noch immer schwer, Bardok einen Treffer zu versetzen.

Wild schlug dieser mit seinem Morgenstern um sich, warf Kerzenständer um, zerschlug Sitzbänke, doch auch ihm war kein Treffer vergönnt.

Der Halbdämon wich zur Seite, drehte sich in einer Bewegung und schlug mit seinem Schwert zu.

Knapp verfehlte er seinen Gegner.

Evan biss sich auf die Lippe. Dieser Kampf frustrierte ihn.

Ein gezielter Treffer und er konnte die Oberhand gewinnen. Doch dieser blieb ihm verwehrt. Auch sein schmerzendes Bein lenkte ihn immer wieder ab, pochte bei jedem Auftreten wild.

Das Feuer tanzte weiter durch die Kathedrale, begleitet von kleineren Explosionen, die durch weitere Sprengsätze verursacht wurden.

Die Hitze und der beißende Rauch setzten Sarra und Evan zu, doch sie kämpften verbissen weiter.

Sarra wirbelte geschickt zwischen den Flammen hindurch, ihre Dolche blitzten in der düsteren Kulisse auf. Kyra sprang elegant von einer zur anderen Seite, um den Angriffen auszuweichen.

Der Kampf zwischen den beiden Frauen war ein atemloses Ballett aus Angriffen und Ausweichmanövern.

Evan, der weiterhin gegen Bardok kämpfte, spürte die Verzweiflung in sich aufsteigen.

Die Explosionen und das Feuer machten den Kampf nicht nur gefährlicher, sondern auch schwerer zu führen.

Bardok wirbelte seinen Morgenstern wild umher. Um Haaresbreite hatte er Evans Kopf erwischt.

In diesem Moment donnerte das Eingangstor auf.

Die Stadtwache stürmte aufgeregt in die Kathedrale, gefolgt von Heidenreich.

Der Hauptmann der Stadtwache warf einen Blick auf die chaotische Szenerie und seine Miene verfinsterte sich.

Heidenreich, dessen stoische Haltung durch Erschütterung und Entsetzen durchbrochen wurde, schaute sich mit weit aufgerissenen Augen um.

»Was im Namen der Götter ist geschehen?«, rief Heidenreich aus, während er versuchte, die Umgebung zu erfassen.

Die Stadtwachen versuchten, die Flammen einzudämmen und die Ordnung wiederherzustellen, aber das Ausmaß der Zerstörung war bereits zu groß.

Evan ließ sich davon nicht ablenken, ganz im Gegensatz zu Bardok, der einen überraschten Blick auf die Neuankömmlinge wagte.

Der Halbdämon nutzte die Chance, wirbelte um den Eldári herum und schlug mit seinem Schwert zu.

Ein grotesker Schrei erfüllte die Kathedrale.

Bardok ging mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck auf die Knie.

Mit einem lauten, donnernden Geräusch schlug sein Morgenstern auf dem steinernen Boden auf.

Blut spritzte in jegliche Richtung.

»Du Bastard!«, rief er aus, als er bemerkte, dass Evan ihm die rechte Hand abgeschlagen hatte.

Die beiden Frauen unterbrachen ihren Kampf.

Entsetzt blickte Kyra zu ihrem Gefährten hinüber.

»Bardok!«, rief sie ihm

entgegen und wandte sich dann an Evan. »Dafür wirst du bezahlen!«

Sie warf ihren ganzen Körper Sarra entgegen und stieß sie zu Boden.

Ein entsetzter Blick wanderte zu Bardok.

»Es tut mir leid«, sagte sie mit einer unüberhörbaren Traurigkeit in ihrer Stimme. Dann wandte sie sich zähneknirschend an Sarra. »Wenn die Raben zu den Glockenschlägen singen, dann wird ein Sturm von Osten kommen.«

Mit einem giftigen Blick warf Kyra Sarra einen Kerzenständer entgegen und verschwand im dichten Rauch.

Sarra stieß den Kerzenständer von sich. Doch im dichten Nebel aus schwarzen Rauch konnte sie die Umrisse ihrer Feindin nicht mehr erblicken.

»Wenn die Raben zu den Glockenschlägen singen, dann wird ein Sturm von Osten kommen.« Dies war ein Satz der auch ihr geläufig war.

Er deutete auf eine drohende Katastrophe hin und es wäre ein frevelhaftes Verhalten ihn unbedacht zu nutzen.

Manche mochten es als Kriegserklärung wahrnehmen, doch diesem Satz wohnte eine tiefere Bedeutung inne. Ein unausweichliches Ereignis war im Anmarsch.

Die Eldári wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Evans Stimme in ihr Ohr drang. »Sarra!«

Sie schüttelte sich, als wäre sie gerade aus einer Trance erwacht. Ihr Blick fiel auf die lodernden Flammen die sich wie gefräßige Monster über die alten Holzbalken hermachten.

Sie schnellte zu dem Halbdämon hinüber, der sein Schwert bereits auf die nächste, sich anbahnende Bedrohung richtete.

Mit blitzender Klinge und entschlossener Miene stampfte Heidenreich auf die beiden zu.

»Wir sollten hier verschwinden und zwar schnell«, sagte Sarra hektisch.

Doch Heidenreichs raue Stimme tönte durch die Halle: »Stehen bleiben! – Im Namen von Regrat dem dritten, König von Brünnen, seid ihr hiermit festgenommen!«

Immer wieder unterbrach das Gejaule von Bardok die Stimmung.

Evan wirkte desillusioniert. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf.

Die Armbrüste der Stadtwache waren auf den Halbdämon und die Eldári gerichtet und Heidenreich streckte ihnen sein Schwert entgegen.

Das Feuer breitete sich weiter aus, hölzerne Balken schlugen durch die Decke und der Rauch umschloss sie immer weiter, nahm sie in einen engen Würgegriff.

»Hauptmann«, sprach einer der Stadtwachen. »Wir sollten verschwinden, ehe die Kathedrale einstürzt. Die Brandwache soll sich um die Löscharbeiten kümmern.«

Heidenreich knurrte wie ein wilder Hund. »Wenn ihr jetzt geht, dann sehe ich das als Dienstverweigerung an.«

Die Stadtwache schluckte den dicken Kloß hinunter, der sich in dessen Hals gebildet hatte.

Heidenreich wollte nicht nachgeben, er konnte es nicht. Er hatte dem König sein Wort gegeben. Es gab nichts, was über diesem stehen würde.

»Evan«, sagte Sarra hektisch. »Jetzt oder nie.«

Hitze flackerte in ihren Gesichtern, der Rauch kratzte in ihren Kehlen. Panik stieg in ihnen auf, als sie die brennende Kathedrale betrachteten.

Ein Inferno aus rotem und gelbem Feuer fraß sich durch das Gebäude, unaufhaltsam und gnadenlos.

Sarra, flink und wendig wie eine Katze, verbarg sich im Rauch und sprang auf eine Sitzbank.

Die Hitze der Flammen trieb ihr die Schweißperlen auf die Stirn, aber sie zögerte nicht. Mit einem beherzten Sprung erreichte sie die nächste Bank.

Sie konnte kaum ihre Hand vor ihrem Gesicht erkennen, geschweige denn den Ausgang aus dieser lodernden Hölle.

Brennendes Holz krachte zu Boden, Funken sprühten in alle Richtungen.

Ein ohrenbetäubender Lärm

erfüllte die Kathedrale, übertönt nur vom Knistern der Flammen und dem verzweifelten Husten der Eingeschlossenen.

Mit jedem Atemzug wurde die Luft giftiger, die Hitze unerträglicher.

Evan zögerte, doch er hatte keine andere Wahl.

Vor ihm sah er den aufgebrachten Heidenreich, der durch den dunklen Nebel direkt auf ihn zuschritt.

Neben ihm eine Wolke aus schwarzem Rauch. Der der letzte Ausweg zu sein schien.

Er schloss die Augen, vertraute seinen Instinkten und folgte Sarra.

Überrascht über diese Entscheidung, blieb Heidenreich stehen, schaute umher, in der Hoffnung, die Umrisse seines Zieles in der Nebelwand zu erkennen.

Verzweiflung trieb Evan an.

Die Hitze des Feuers brannte in seinen Lungen, der Rauch verdunkelte seine Sicht.

Blind sprang er von einer Sitzbank zur nächsten, die Hoffnung auf Rettung schwand mit jedem Atemzug.

Die Flammen züngelten nach ihm, ihre Hitze peitschte ihm ins Gesicht. Panik stieg in ihm auf, sein Herz hämmerte in seiner Brust. Wo war der Ausgang? Wo war Sarra?

Plötzlich spürte er festen Boden unter den Füßen. Er hatte es geschafft.

Er war am Ausgang. Doch die Freude währte nur kurz.

Die Soldaten der Stadtwache traten ihm und Sarra entgegen, die Armbrüste auf sie gerichtet.

Ein knisternder Holzbalken fiel direkt hinter Evan und Sarra nieder.

Es schien, als hätten sie keine andere Wahl, als sich den Stadtwachen zu stellen.

Sarra, voller Entschlossenheit, sprang filigran nach vorn und landete geschickt vor den perplexen Stadtwachen.

Ihre Dolche blitzten im flackernden Licht der Flammen.

Evan erkannte den Hauptmann, der den Rückweg angetreten hatte und stampfend auf sie zuschritt.

Heidenreich zögerte einen Moment, sein Schwert gegen den Halbdämon zu erheben.

Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass seine Gedanken um ihn kreisten. War es das alles wert? – Sollte er den Halbdämon jagen oder alles erdenkliche tun, um zumindest die Reste des Allerheiligsten zu retten.

Für Evan aber stand fest, Heidenreich war eine genauso große Gefahr wie die lodernde Feuersbrunst.

Er blickte zu den Soldaten der Stadtwache, von denen sich einige loseisten, um ihn ins Visier zu nehmen.

„Sarra, halt sie auf!“, rief Evan durch den Rauch, während er Heidenreich wieder ins Auge fasste.

Die Stadtwachen, zögerten, bevor sie von Sarra attackiert wurden.

Es war ein kurzer, intensiver Kampf zwischen der gewandten Eldári und den überforderten Stadtwachen.

Mit einem wütenden Gebrüll stürmte Heidenreich auf Evan zu, sein Schwert hoch erhoben. Seine Entscheidung war gefallen.

Dieser feige Angriff auf die Kathedrale musste in seinen Augen vergolten werden.

Die Schwerter prallten mit einem lauten Aufprall aufeinander, Funken sprühten in alle Richtungen.

Evan war überrascht von der rohen Kraft, die von Heidenreich ausging.

Die beiden Männer standen sich einen Moment lang gegenüber, ihre Blicke voller Abneigung.

Geschickt wandte sich Evan um Heidenreich herum, stieß ihn gegen eine der Sitzbänke.

Jetzt oder nie, nur ein kurzer Augenblick blieb ihm zur Flucht.

Evan sprintete in Richtung des Ausgangs, der von den Flammen erleuchtet wurde.

Heidenreich, von Zorn erfüllt, stürmte ihm hinterher, sein Schwert fest in der Hand.

Sarra, die den Kampf mit den Stadtwachen rasch beendet hatte, bemerkte Evans Flucht.

Mit geschmeidigen Bewegungen stieß sie zwei der Stadtwachen beiseite und folgte dem Halbdämon und dem wütenden Hauptmann.

Am anderen Ende der Halle kniete Bardok. Er atmete schwer. Der Rauch hatte ihn wie ein Schleier des Todes

umhüllt.

Er blickte weiterhin auf den blutenden Armstumpf. Die Gewissheit seines nahenden Todes spiegelte sich in seinen Augen.

Er verfluchte den Halbdämon für seine Tat. Doch ein grässliches Grinsen fuhr plötzlich durch sein Gesicht.

»Dadan tuley at kotavat!«, schrie er auf, was auf Eldárisch soviel bedeutete wie »Der Tod wird dich bald holen«.

Unter jaulenden Flüchen wurde Bardok von brennendem Schutt begraben.

Sein groteskes Schreien vereinte sich mit dem infernalen Feuerspektakel.

Die Kathedrale, einst ein Ort der Ruhe und Andacht, war nun zu einem Ort des Unheils und des Todes geworden.

Vor der Kathedrale herrschte geschäftiges Treiben.

Die Brandwache und die tapfere Stadtbevölkerung arbeiteten Hand in Hand, um das Feuer zu löschen.

Mit einfachen Löschpumpen und Eimern voller Wasser und Erde versuchten sie, den Flammen Herr zu werden. Doch es schien eine unstemmbare Aufgabe zu sein.

Evan stürmte keuchend und hustend aus dem brennenden Inferno.

Seine Augen suchten nach einem Ausweg durch die Menschenmenge, während Heidenreichs wütendes Gebrüll ihm immer näherkam.

Plötzlich hörte Evan das Wiehern eines Pferdes und das Fluchen einer bekannten Stimme.

Sein Blick schnellte umher und er erkannte den Planwagen von Leuven, der mit erstaunlicher Geschwindigkeit herangebraust kam.

Der Wagen blieb abrupt vor ihm stehen, und ein überraschter Leuven blinzelte den Halbdämon verschmitzt an.

Panisch suchte Evan in der Menschenmenge nach Sarra, konnte sie jedoch nicht ausfindig machen.

Der heranstürmende Heidenreich kam immer näher. Eine schnelle Entscheidung musste her.

Er sprang auf den Wagen und befahl Leuven, loszufahren.

Stammelnd nahm Leuven die Zügel fest in die Hand, die Stute jaulte auf, und der Planwagen setzte sich in Bewegung.

Heidenreich konnte ihnen nur noch schwer atmend hinterherschauen, während einer der Türme der Kathedrale im Hintergrund langsam in sich zusammenfiel.

»Verflucht!«, rief Heidenreich in die Nacht hinein und ließ klirrend sein Schwert zu Boden fallen.

Es brodelte in ihm. Er hatte versagt.

Seine wütenden Augen richteten sich auf die Kathedrale und das Ausmaß der Zerstörung die ihr in jener Nacht widerfuhr.

Aufgebrachte Schreie hallten durch die Menschenmenge. Eine solche Katastrophe hatte Rabensberg noch nie erlebt. Das Wahrzeichen für den Frieden und den Glauben wurde auf brutalste Art geschändet.

Die letzten Stadtwachen kamen panisch aus dem Inferno heraus geprescht.

Für Heidenreich war dies die größte Niederlage, die er je hinnehmen musste.

________________

Ein dichter Rauchvorhang hing über der Stadt, ein beklemmendes Zeugnis der vergangenen Nacht.

Die Kathedrale, einst ein Symbol der Pracht und des Glaubens, war nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Verkohlte Mauern ragten in den Himmel, ein trauriges Monument der Zerstörung.

Unermüdlich kämpften die Einwohner gegen die letzten Flammen.

Unter der Anleitung der Brandwache und der Stadtwache packte jeder mit an, vom einfachen Bauern bis zum angesehenen Kaufmann.

Schaufeln und Eimer wurden gereicht, Wasser in die Glut geschüttet, verkohlte Trümmer beiseite geräumt.

Es war ein Kampf gegen die Zeit und die Verzweiflung.

Die Trauer über den Verlust der Kathedrale war tief, aber gleichzeitig wuchs der Zusammenhalt der Stadtbevölkerung.

In dieser Stunde der Not zeigten sie sich vereint und entschlossen, das Unfassbare zu bewältigen.

Erschöpfte Gesichter, von Ruß und Rauch geschwärzt, spiegelten die Strapazen der Nacht wider.

Trotz der Müdigkeit und des Schmerzes gaben die Einwohner nicht auf.

In der Ferne beobachtete König Regrat die Szenerie von seinem Arbeitszimmer aus.

Sein Blick lag auf der Kathedrale, die in Rauchschwaden gehüllt war, und sein Gesicht verriet Wut und Enttäuschung.

Die Adern an seinem Hals pulsierten vor Ärger, als er die Tragödie vor seinen Augen sah.

»Das ist nicht nur ein Angriff auf unseren Glauben, das ist eine Kriegserklärung an das gesamte Königreich«, sprach er, ohne seinen Blick von der Katastrophe abzuwenden.

Hinter ihm ertönte die Stimme von Heidenreich. »Euer Gnaden, ich trage die volle Verantwortung für das Geschehene.«

Regrat wandte sich abrupt zu Heidenreich um. Schaute ihn kritisch an. »Da gebe ich Euch Recht. Es liegt in Eurer Verantwortung. Ein Dämon und drei Eldári verüben ein Attentat auf unsere heilige Kathedrale und die Stadtwache ist nicht in der Lage, diese zu hindern.«

Kurz schwieg der König, dann fuhr er fort, während er den Hauptmann scharf anblickte. »Davon darf nichts nach außen dringen. Es war ein Unfall, haben wir uns verstanden? – Eine Tragödie an deren Aufarbeitung wir arbeiten. Kein Wort über einen Dämon oder die Eldári. Das würde mich in keinem guten Licht dastehen lassen.«

»Ich verstehe, Euer Gnaden«, gab Heidenreich reumütig zurück.

Der König verzerrte sein Gesicht. »Ich bin nicht froh über diese Entscheidung, aber ich habe nach langen Überlegungen beschlossen, nun doch die Gilde der Dämonenjäger hinzuzuziehen. Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getroffen, aber ich kann diese Monster nicht frei in meinem Reich herumlaufen lassen. Sie müssen beseitigt werden. Schnellstmöglich.«

Regrat schnalzte mit der Zunge. »Außerdem habe ich meinen Geheimdienst darum gebeten, die Sache weiter zu untersuchen. Die Aktivitäten der Cardíz an unserer Grenze, der Anschlag auf die Kathedrale, da muss es einen Zusammenhang geben.«

»Euer Gnaden, Ihr denkt, die Cardíz stecken dahinter?«

Der König schaute den Hauptmann erbost an. »Seitdem dieses Miststück Kaiserin ist, können wir uns nicht mehr sicher fühlen. Ihre Raubtiere fletschen an der Grenze mit ihren Zähnen und unser Allerheiligstes wird angegriffen. Ich bin mir sicher, dass Kaiserin Galina der Ursprung allen Übels ist. Ich werde mich mit dem Kriegsminister beraten, außerdem werde ich mich mit den Herrschern aus Brilonia, Cadeira und Wallau beraten. Der gesamte Kontinent ist in Gefahr.«

»Euer Gnaden, wenn ich meine Meinung dazu äußern dürfte.«

»Dürft ihr nicht«, gab der König erbost zurück. »Ihr könnt froh sein, dass ich Euch nicht öffentlich auspeitschen lasse. Ich werde Euch von Eurem Dienst als Hauptmann der Stadtwache entbinden.«

»Euer Gnaden, ist das Euer Ernst?«, fragte Heidenreich schockiert.

»Ihr habt mir gezeigt, dass Ihr nicht fähig seid, diesen Posten zu bekleiden. Wir haben Schwäche gezeigt, Ihr habt Schwäche gezeigt. Das schadet nicht nur der Sicherheit des Reiches, sondern auch meinem Ansehen.« Die Augenlider von Regrat begannen aufgeregt zu zucken. »Aber ich lasse Gnade walten.«

Gnade? – Für Heidenreich fühlte es sich wie ein Dolchstoß in seinen Rücken an. Eine größere Schande konnte es für ihn nicht geben. Aber seine Wut richtete sich nicht auf den König, nein, der Schuldige war ein gewisser Halbdämon. Die roten Augen, dieser giftige Gesichtsdruck und die schwarzen Haare, verhüllt unter einer dunklen Kapuze. Er sah ihn klar und deutlich vor sich.

Seine Mundwinkel zuckten, sein Gesicht spannte sich an. Der Hauptmann war tief in seinem Hass versunken, ehe die Stimme des Königs ihn aus den tiefen seiner Gedanken Riss.

»Heidenreich.« König Regrat schaute ihn kritisch an. »Ich werde Eure Fähigkeiten an anderer Stelle benötigen.«

Der Hauptmann blickte ihn verwundert an. »Ihr werdet mich nicht aus meinem Dienst entlassen?«

»Ihr habt einen Eid geschworen«, begann der König und fuhr einer kurzen Atempause fort. »Das Königreich und seine Bewohner zu beschützen. Diesen Dienst fordere ich weiterhin von Euch ein.«

Heidenreichs Herz klopfte wild in seiner Brust. Trotz seines Versagens sollte er eine weitere Gelegenheit bekommen, seine Fähigkeiten zu beweisen und seinen Namen reinzuwaschen. Seine Gedanken klarten auf, als er seinen Auftrag entgegennahm.

»Lord Hagen von Dannenbrück scheißt mich regelrecht mit Briefen zu. Das Verschwinden seines Sohnes macht ihm große Sorgen und ich gewähre ihm Hilfe. Sucht diesen Rotzlöffel und bringt ihn wohlbehalten nach Dannenbrück zurück. Lord Hagen befiehlt die Soldaten an der östlichen Grenze. Er soll sich gefälligst um seine Pflichten kümmern und nicht seinem Sohn hinterhertrauern.«

Heidenreichs Blut kochte.

Schlimmer als die Entlassung, schlimmer als die Demütigung vor dem König, war dieser Auftrag: Ein Rotzlöffel, ein Bengel, ein nichtsnutziger Adeliger, der sich aus dem Staub gemacht hatte – und er sollte ihn nun finden. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Stadt brauchte seine Anwesenheit, seinen Schutz, und er sollte seine Zeit damit verschwenden, einem verwöhnten Balg hinterherzujagen?

Wut und Frustration brannten in seiner Brust.

Mit eiserner Selbstbeherrschung presste er die Worte hervor: „Sehr wohl, Euer Gnaden.“

Es fühlte sich wie tausend Nadelstiche an, diese Worte über seine Lippen zu bringen.

„Erledigt diese Aufgabe schnell und diesmal ohne große Aufmerksamkeit“, sagte der König. „Der Lord soll seine Truppen bereithalten und seine Gedanken nicht an solch einen Unsinn verschwenden. Der Name seines Sohnes lautet Leuven. Leuven von Dannenbrück. Zuletzt wurde er gesehen, wie er die Tore von Dannenbrück mit einem Planwagen Richtung Westen verlassen hat.“

„Ich werde ihn finden“, sagte Heidenreich, und seine Stimme klang wie ein Knurren. „Ich werde nicht versagen, nicht noch einmal.“

Der König musterte ihn mit einem kalten Blick. „Das hoffe ich. Tut Eure Pflicht. Danach sprechen wir darüber, wie Ihr fortan dem Königreich dienen werdet.“

Heidenreich verneigte sich tief, sein Zorn brodelte in ihm.

Er würde diesen Auftrag erfüllen, ja. Aber er würde es auf seine eigene Art tun. Und wenn dieser Leuven am Ende mit einer ordentlichen Portion Demut im Gepäck nach Hause zurückkehrte, dann wäre es ihm nur recht.

Mit angespannten Muskeln verließ er das Arbeitszimmer des Königs.

Heidenreich schwor sich, dass er diesen Auftrag nicht nur zum Erfüllen, sondern auch zur Genugtuung nutzen würde.

________________

Die Sonne stand an ihrem höchsten Punkt, als Evan und Leuven endlich weit genug von Rabensberg entfernt waren, um eine Rast einzulegen.

Erschöpft ließen sie sich an einem kleinen Bach nieder, der munter vor sich hinplätscherte.

Während Evan mit knurrendem Magen auf die Jagd nach Proviant ging, kümmerte sich Leuven um die Feuerstelle.

Holzsammeln war ihm mittlerweile zur zweiten Natur geworden.

Schon fast routiniert entfachte er ein munteres Feuer, dessen Flammen hungrig nach oben züngelten.

Leuven hockte sich auf einen gefällten Baumstamm und versank im Anblick des Feuers.

Die tanzenden Flammen, die im Windhauch flackerten, hypnotisierten ihn.

Der würzige Duft von Rauch stieg hinauf und die wohlige Wärme vertrieb die kühle Morgenluft.

Ein Gefühl von Geborgenheit breitete sich in ihm aus.

Evan kehrte mit zwei Kaninchen in seinen Händen zurück, die Leuven geschickt über dem Feuer zubereitete, nachdem Evan diese vorbereitet hatte.

Der Duft von gebratenem Fleisch vermengte sich mit dem Rauch des Lagerfeuers und dem Knistern der Flammen.

»Ich muss zugeben, du scheinst ein besserer Koch, als ein Kaufmann zu sein«, scherzte Evan, nachdem er genüsslich einen Bissen von der Mahlzeit verschlungen hatte.

»Das Geheimnis sind die Gewürze«, antwortete Leuven stolz. »Ich bin deinem Rat gefolgt und habe einige meiner Sachen verkauft. Dafür habe ich mir neue Kleider und etwas Proviant besorgt. Ich muss zugeben, diese Entscheidung war richtig. Ich musste mich einfach von den Sachen trennen.«

Evan musterte den jungen Mann mit prüfendem Blick. »Und dein grünes Wams?«

Leuven zögerte.

Das grüne Wams, zusammen mit der beigen Hose und dem passenden Barrett, war seine liebste Kombination. Davon wollte er sich nicht trennen. „Ich wollte wenigstens diese Teile behalten. Als Erinnerung.“

Evan schmatzte und nickte. „Als Erinnerung, hmm? Immerhin hast du auf mich gehört.“

Leuven wirkte nachdenklich. „Und was hast du jetzt vor? Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?“

Evan legte seine Mahlzeit beiseite. „Ich habe zwar einige Informationen erhalten, aber leider wird meine Liste dadurch nur noch länger. Ich habe keinen Anhaltspunkt, wo ich weitersuchen sollte.“

„Nun, wenn du möchtest, nehme ich dich weiter mit. Ich habe beschlossen, weiter nach Norden, an die Küste zu reisen“, schlug Leuven vor.

Evan nahm nachdenklich einen Bissen von seiner Mahlzeit und kaute bedächtig. „Nach der Sache in Rabensberg wäre es vielleicht keine kluge Idee, zu Fuß weiterzureisen. Bis zur Küste begleite ich dich.“

„Gut, das freut Ida sicher auch“, gab der junge Mann freudig zurück und schaute zur Stute hinüber, die gemütlich graste.

„Ida?“, fragte Evan verdutzt nach. „Du hast sie Ida genannt?“

Leuven grinste. „Ja, und mir ist egal, was du sagst, es ist der perfekte Name für sie.“

Evan schmunzelte. Ein seltenes Bild.

„Alles gut“, sagte er. „Ich bin froh, dass du dich nach all den bescheuerten Ideen für einen normalen Namen entschieden hast.“

Leuven errötete leicht. „O, ähm, dann ist ja gut.“

Evan stand auf, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und warf die Knochen seiner Mahlzeit fort.

Der Fluss plätscherte weiterhin friedlich dahin, und die Natur um sie herum schien den Streit und das Chaos von Rabensberg vergessen zu haben.

Der Himmel war klar, und die Sonne strahlte auf sie herab.

„Übrigens“, begann Leuven und verschluckte sich beinahe an seinem Essen. „Du hast dein Gepäck in meinem Wagen vergessen.“

Der Halbdämon riss die Augen vor erschrecken auf.

Wie ein aufgescheuchtes Huhn sprang er zum Wagen hinüber, riss die Plane zur Seite und atmete erleichtert auf, als er seinen Reisesack entdeckte.

In all der Aufregung und seinem Drang nach Antworten hatte Evan ihn komplett vergessen. Aber all sein Besitz befand sich darin. Erinnerungen an vergangene Tage, sein Tagebuch, die Liste seiner Feinde und all das, was er für seine Reise benötigte.

Leuven legte seinen Teller ab und stand auf.

Mit verschmitztem Lächeln wandte er sich Evan zu. „Ich sagte doch, das Schicksal hat uns zusammengeführt.“

Der Halbdämon drehte sich abrupt um, bleckte die Zähne wie ein wilder Wolf. »Hör auf damit! So etwas wie ein Schicksal gibt es nicht. Ich habe meinen Sack einfach vergessen, weil ich mit den Gedanken woanders war. Punkt, aus.«

Leuven zuckte mit den Schultern. »Na gut, wenn du meinst.«

Er wollte keine weitere Diskussion beginnen. Die vergangenen Tage hatten ihm viel Kraft gekostet, und die letzte Energie, die er noch besaß, wollte er nicht an einen sinnlosen Streit verschwenden.

»Wir sollten weiterziehen und keine Zeit verlieren«, sagte Evan schließlich, als er merkte, dass seine Worte an dem jungen Mann abprallten.

Er zog die Plane des Wagens wieder zurecht.

»Jetzt schon?«, protestierte Leuven. »Können wir nicht noch ein wenig die Ruhe genießen?«

Evan schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen aufbrechen. Es wäre kein Wunder, wenn die Männer des Königs bereits auf unserer Fährte sind. Meide am besten auch die Hauptstraßen. Je weniger Aufmerksamkeit wir erregen, desto besser.«

Leuvens Stirn legte sich in Falten. »Dann bräuchten wir aber mindestens doppelt so lange, ehe wir die Küste erreichen.«

»Das mag sein«, sagte Evan düster. »Aber sie werden nach uns suchen.«

»Nach uns? Weshalb denn nach uns?« Leuvens Augen weiteten sich vor Schreck.

»Du hast mir zur Flucht verholfen«, sagte Evan. »Also werden sie auch nach dir suchen. Du bist mein Komplize.«

»Was redest du da? Ich bin doch nicht dein Komplize!« Leuven empörte sich. »Ich habe dich gerettet!«

Evan schaute ihn, mit erhobenem Zeigefinger, an. »Erstens, du hast mich nicht gerettet. Ich hatte alles unter Kontrolle. Zweitens, das wird den Männern des Königs egal sein, aus welchem Grund du da warst.«

Leuven erschrak. Panik schnürte ihm die Kehle zu. „Worauf warten wir denn noch? Wir müssen sofort abhauen!“, stieß er hervor.

Hektisch schüttete er Sand auf das Lagerfeuer, um es zu ersticken. Die Glut zischte und knisterte.

Leuvens Hände zitterten, getrieben von der Angst, die ihn wie ein eisernes Band umschloss.

Evan hingegen war die Ruhe selbst.

Er nickte knapp. „Du brauchst aber auch nicht in Hektik zu verfallen.“ Seine Worte klangen rau und unnahbar, seine Miene war ernst.

Die Ereignisse der letzten Tage hatten Spuren hinterlassen, sein Körper war noch geschwächt, seine Wunde am Bein pochte leicht auf, wie ein schwacher Herzschlag.

Mit angespannten Schritten führte Leuven Ida zum Planwagen.

Seine Anspannung entlud sich in kurzen, abgehackten Sätzen. „Beeil dich!“, rief er, seine Stimme angespannt.

Evan wandte ihm einen kurzen Blick zu, in seinen Augen lag ein Hauch von Unmut. „Ich komme schon.“

Der Halbdämon half dem jungen Kaufmann beim Anspannen der Stute.

Rasch schwang sich Leuven auf den Kutschbock, nahm die Zügel in die Hand.

Evan hingegen kletterte gemächlich durch die Plane in den Wagen.

„Ich werde mich ein wenig ausruhen müssen“, sagte er mit gepresster Stimme. „Wir müssen so schnell wie möglich weiter, aber mein Bein braucht Zeit zur Genesung.“

Leuven nickte stumm.

Anspannung lag wie ein dichter Nebel über ihm.

Die Geräusche der Natur nahmen sie auf ihrer Flucht mit, während der Planwagen bedächtig den Bach entlang rollte.

Das Rauschen des Wassers, das Zwitschern der Vögel und das leise Klappern der Hufe auf dem Weg bildeten eine harmonische Melodie.

Im Inneren des Wagens spürte Evan die sanfte Bewegung und schloss die Augen.

Die Ereignisse in Rabensberg und die anschließende Flucht hatten ihren Tribut gefordert.

Seine Muskeln schmerzten, sein Kopf brummte, sein Bein konnte sich kaum erholen.

Endlich konnte er für einen Moment die Anspannung loslassen und seinen Körper ruhen lassen.

Leuven, auf dem Kutschbock sitzend, ließ den Blick über die friedliche Landschaft schweifen.

Der Anblick des hellblauen Baches, der sanften Wiesen und des dichten Waldes beruhigte seine aufgewühlten Gedanken.

Die Sonne tauchte die Landschaft in ein warmes Licht.

Die Zeit schien still zu stehen, während die beiden Gefährten ihre Reise fortsetzten.

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Kapitel 2
Jäger und Gejagte

Beschreibung: Evan und Leuven haben die Burg Haren verlassen. Auf ihrer beschwerlichen Reise zur Hauptstadt Rabensberg wird Leuven erst wirklich bewusst, in welch gefährliche Welt er sich gewagt hat. Doch auch, wenn er gehofft hatte, sich weiterhin in der Sicherheit, die Evan ihm bot, wähnen zu können, hat dieser andere Pläne. Ihre Wege trennen sich, denn der Halbdämon bereitet sich auf ein Treffen mit einem alten Bekannten vor.

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Teil 5

Die Nacht breitete sich über Rabensberg aus, und ihre Schatten verschlangen die Straßen.

Die Dächer der Stadt lagen still unter dem Schleier der Dunkelheit, nur vom fernen Licht der Kathedrale erleuchtet.

Evan und Sarra hatten sich auf einem der höchsten Punkte niedergelassen, von wo aus sie die hellen Fenster der Kathedrale glänzen sehen konnten.

Der mürrische Ausdruck auf Evans Gesicht wurde von einem Schmerz durchzogen, als er sich auf dem Dach niederließ und die klaffende Wunde an seinem Bein begutachtete. Das schwarze Blut, das in seinen Adern floss, hatte sich rundherum um die Verletzung verteilt.

»Das habe ich auch noch nie gesehen«, sagte Sarra, als sie dies erblickte. »Dämonisches Blut, das durch den Körper eines Menschen fließt.«

»Tja, nur bin ich kein Mensch mehr. Schon lange nicht mehr«, gab Evan knurrend zurück.

»O, der Herr wird melancholisch. Aber lass dich nicht von dem herunterziehen, was Rowan dir angetan hat.«

»Du weißt also, dass Rowan dafür verantwortlich ist?«, fragte der Halbdämon verdutzt.

Sarra nickte gedankenverloren. »Rowans Arbeit ist mir durchaus bekannt. Aber ich hätte niemals daran gedacht, dass eines seiner Experimente ein Erfolg sein könnte. Aber als ich von dir hörte, war mir klar, dass ich dich finden musste.«

»Experimente? – Ich bin für dich also nur ein Experiment?«

»Für Rowan bist du es zumindest«, sie schaute Evan tief in die Augen. »Was weißt du über ihn?«

»Nicht viel«, gab der Halbdämon zurück. »Ich verbringe schon etliche Jahre mit der Suche nach Antworten. Ich habe verschiedene Personen aufgesucht, nur um an Informationen über Rowan zu gelangen. Mehr als seinen Namen habe ich aber nicht. Ich habe die verschiedensten Dämonen gejagt, aber bisher ohne Erfolg.«

»Dämonen? – Weshalb hast du dich von der Jagd nach Dämonen ablenken lassen?«

»Woher sollte ich sonst an Informationen gelangen, wenn nicht durch Seinesgleichen?«

»Hah!«, Sarra lachte kurz auf und verstummte dann, als sie erkannte, dass Evan tatsächlich nicht wusste, worum es ging. »Rowan ist kein Dämon.«

»Was sagst du da?«

»Rowan ist, genau wie ich, ein Eldári. Allerdings gehört er einer radikalen Gruppe an, die die Menschen hasst. Dafür, dass sie unsere Ahnen vor Urzeiten aus diesen Landen vertrieben haben. Für euch Menschen scheinen wir irgendwelche Sagenwesen zu sein, aber eure Geschichte ist eng mit der unseren verwoben. Der große kontinentale Krieg zwischen den Königreichen vor einem Jahrhundert? – Was glaubst du, wer im Hintergrund die Strippen gezogen und die Könige gegeneinander aufgehetzt hat?«

»Du veralberst mich doch!«, wandte Evan ein, doch in Sarras Augen lag nur Ernsthaftigkeit.

»Rowan hat sich einer ganz besonderen und vor allem makaberen Leidenschaft hingezogen. Er ist unter uns auch als der Doktor bekannt.«

»Der Doktor?«

»Du bist kein Einzelfall, Evan. Rowan hat seine Experimente an den verschiedensten Wesen ausgeübt. Er hat Wölfe mit Ebern gekreuzt, Schlangen mit Adlern. Du warst der Versuch, einen Menschen mit einem Dämon zu kreuzen. Wie ich hörte, schlugen alle seine Experimente in dieser Richtung fehl, deshalb bin ich sehr überrascht, dass die Gerüchte über dich wahr sind.«

Evan blieb der Atem stocken. Konnte das wirklich wahr sein?

»Aber, warum tut er so was?«

»Das will ich herausfinden. Meine Sippe und ich glauben, dass er für seine Gruppe eine Armee zusammenstellen will, aber seine Experimente scheitern jedes Mal. Da du dich jetzt aber sehr offen gezeigt hast, könnte das für Rowan der Beweis sein, dass er Erfolg hatte. Vielleicht ist das der Grund, warum man dich in Haren nicht getötet hat. Aber sicher bin ich mir nicht. Deshalb wollte ich dich heute Nacht nicht allein lassen. Sollte Rowan an dein Blut gelangen, könnte ihm das wichtige Informationen darüber geben, wie er es verwenden kann.«

»Ich kann das alles nicht glauben«, stöhnte der Halbdämon.

»Tja, glaub es oder glaub es nicht. Fakt ist, wir dürfen nicht kopflos handeln. Ich habe versucht, dich davon abzubringen, aber du wolltest nicht auf mich hören. Also wirst du in die Kathedrale gehen und herausfinden, was uns dort erwartet. Besser gesagt, wer uns dort erwartet.«

»Sagtest du nicht, Rowan will mein Blut?«

»Richtig. Lassen wir seine Anhänger glauben, dass sie es sich einfach holen können.«

»Und was wirst du tun?« Evans Augen weiteten sich aufgeregt.

»Ich halte mich bedeckt. Sollte Gefahr drohen, werde ich sofort einschreiten.«

Evan lachte kurz auf. »Ich brauche keine Hilfe.«

Sarra blickte ihn scharf an. »Du brauchst vor mir nicht den Helden zu spielen. Außerdem bist du offenbar das Ziel. Es wäre gut, wenn derjenige, der dort wartet, sich vorerst in Sicherheit wiegen kann.«

Sie senkte ihre Stimme und erklärte ihren Plan, während sie sich in die Schatten zurückzog. „Evan, wir müssen uns geschickt bewegen. Ich werde einen anderen Eingang suchen, um unbemerkt in die Kathedrale zu gelangen. Du konzentrierst dich darauf, herauszufinden, wer dort auf uns wartet. Wenn du ihn in deiner Gewalt hast, stell ihm Fragen zu Rowan. Achte darauf, dass euer Gespräch unauffällig bleibt.“

Ihre Augen durchbohrten die Dunkelheit, als sie fortfuhr: „Sollte es Komplikationen geben, bewahre Ruhe. Ich werde in der Nähe sein und einschreiten, wenn nötig. Aber versuche, die Kontrolle zu behalten. Wir wollen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Verstanden?“

Evan nickte, während ein Schatten der Entschlossenheit über sein Gesicht huschte.

Sarra verschmolz erneut mit der Nacht, hinterließ einen Hauch von Vertrauen und Unsicherheit gleichermaßen.

Der Halbdämon erhob sich. Ein stechender Schmerz durchfuhr sein Bein. »Verdammt. Ich hasse das.«

»Bist du dir sicher, dass es dich nicht behindern wird?«, fragte Sarra und kniff die Augen misstrauisch zusammen.

»Es wird schon gehen. Es nervt, aber ich werde es überleben.«

Die beiden starrten schweigend auf die zwei mächtigen Türme der Kathedrale, die sich vor ihnen auftürmten wie das dunkle Herz der Stadt. Ein Hauch von Mysterium umgab das imposante Gebäude.

Sarra, von einer Aura des Misstrauens umgeben, riss ihren Blick von der Kathedrale los und wandte ihn Evan zu. „Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor jemand auf uns aufmerksam wird. Je weniger Augen auf uns gerichtet sind, desto besser.“

Evan nickte zustimmend, während sein Blick kurz zu der schwarzen Wunde wanderte. Der Schmerz pulsierte in seinem Bein, doch er verdrängte ihn, um sich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren.

Gemeinsam verließen sie den Aussichtspunkt der Dächer und schlichen sich durch die schmalen Gassen, bereit, sich den Herausforderungen in der Kathedrale zu stellen.

Die Sankt Tristanius-Kathedrale erhob sich majestätisch über den nächtlichen Himmel von Rabensberg.

Ihre hohen Türme durchdrangen die Dunkelheit wie spitze Nadeln, die den Himmel berührten.

Die äußere Fassade präsentierte kunstvoll gestaltete Skulpturen und Ornamente, die von einem Hauch von Geheimnis und Spiritualität umgeben waren.

Das massive Eichentor, verziert mit filigranen Schnitzereien, öffnete sich in eine Welt der Stille und Andacht.

Ein Schauder durchzog die luftige Halle, als Evan die Schwelle übertrat, und das fahle Licht der Kerzen warf schaurige Schatten an die Wände.

Die Kirchenbänke erstreckten sich in Reihen, als wären sie stumme Zeugen der unzähligen Gebete, die im Laufe der Zeit in dieser heiligen Halle gesprochen wurden.

Bunte Glasfenster mit kunstvollen Szenen aus uralten Geschichten ließen das Mondlicht in schimmernden Farben auf den Steinboden fallen.

Die Kathedrale wirkte wie ein lebendiges Geschichtsbuch, dessen Seiten von den ehrfürchtigen Händen der Gläubigen und frommen Pilger über die Jahrhunderte hinweg geblättert worden waren.

Am anderen Ende der Halle ragte ein beeindruckender Hochaltar empor, mit vergoldeten Verzierungen, die im Schein der Kerzen und Laternen glänzten.

Das Zentrum des Altars war von einer lebensgroßen Statue des Heiligen Tristanius gekrönt, dessen Gesichtsausdruck eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und göttlicher Gnade zu vermitteln schien.

In den heiligen Schriften stand geschrieben, dass Tristanius einer der ersten Menschen war. Er suchte seinen Platz in der leeren und kahlen Welt, ehe er auf einen Berg stieg, wo er freundlich von den Göttern empfangen wurde.

Fortan pilgerte er durch die Lande und verkündet deren Worte.

Die Kathedrale von Sankt Tristanius atmete Geschichte und Mystik, und die Stille in ihren Gemäuern schien das Flüstern der Jahrhunderte widerzuspiegeln.

Evan entdeckte vor dem Altar eine Person in einer weißen Kutte. Kniend schien sie zu den Göttern zu beten.

Die dunkelblauen und goldenen Verzierungen der Kutte schimmerten im Kerzenlicht, und ein Hauch von Heiligkeit umgab die geheimnisvolle Gestalt.

Evan war sich sicher, dass es sich um den Priester handeln musste. Das Oberhaupt der Kirche in Rabensberg.

Er trat näher, seine Augen auf den knienden Priester gerichtet.

Der Gedanke, dass dies der Informant sein könnte, durchzuckte ihn. Ein Priester war jedoch eine Wendung, mit der er nicht gerechnet hatte.

Skeptisch ließ der Halbdämon seinen Blick durch das heilige Gemäuer schweifen, konnte jedoch niemanden sonst ausmachen.

Konnte ein Priester wirklich der Drahtzieher dieses geheimnisvollen Treffens sein? – Zweifel mehrten sich in ihm, als dieser auf keinerlei Ansprache reagierte.

Evan trat näher heran, sprach den Priester direkt an, aber erhielt keinerlei Antwort.

Als der Halbdämon um die Person herumwanderte, erkannte er auch sofort weshalb. In dessen Kehle steckte die Klinge eines versilberten Dolches.

Das Blut tropfte geräuschlos auf den kalten Stein.

Ein Schauer lief Evan über den Rücken.

Der Tod hatte die heiligen Pforten durchtreten, und die unheimliche Stille der Kathedrale wurde von der Gewissheit durchzogen, dass in diesem ehrwürdigen Ort etwas Dunkles und Unheilvolles lauerte.

Evan zog sich langsam von dem leblosen Körper des Priesters zurück, seine Gedanken wirbelten in einem Strudel aus Verwirrung und Misstrauen.

Der kalte Steinboden unter seinen Füßen schien ihm keine Sicherheit zu bieten, als er seine Sinne schärfte und seine Ohren spitzte.

Dann drang plötzlich ein hämisches Gelächter, aus den Schatten der Kathedrale, an seine Ohren.

Ein unheilvolles Duo an Gelächter, das sich hin und her bewegte, durchdrang die düstere Stille und ließ eine unheimliche Atmosphäre in der heiligen Halle aufkommen.

Evan, von einem unbestimmten Unbehagen erfasst, richtete seinen Blick auf die Finsternis, aus der das Gelächter zu kommen schien.

Ein Gefühl von Gefahr umgab ihn, während er darauf vorbereitet war, dem Unbekannten entgegenzutreten.

Aus der düsteren Dunkelheit der Kathedrale traten zwei Gestalten hervor, wie Schatten, die zum Leben erwachten.

Der erste war ein männlicher Eldári, dessen schwarze, lange Haare auf dessen Schultern fielen.

Seine stechend gelben Augen verrieten eine unnatürliche Kraft, während er in schwerer Lederrüstung gehüllt war.

In seiner kräftigen Hand ruhte der hölzerne Griff eines Morgensterns, an dessen Ende eine mit Stacheln gespickte Metallkugel angebracht war.

An seiner Seite stand eine weibliche Eldári, ihre Haare in einem strahlenden Weiß gehalten, und ebenso mit den markanten gelben Augen.

Ihre dünne Lederrüstung deutete darauf hin, dass für sie Agilität und Schnelligkeit die Verteidigung waren, auf die sie vertraute.

In beiden Händen trug sie gefährlich wirkende, geschwungene Dolche, die im schwachen Licht der Kathedrale glitzerten.

Die beiden Fremden näherten sich Evan mit hämischem Lächeln und einer Aura der Gefahr.

In der Stille der Kathedrale hallten nur noch die langsamen Schritte der Eldári wider.

Während Evan sich den beiden Fremden gegenübersah, wagte Sarra einen anderen Weg in die Kathedrale.

Ihr Weg führte sie durch einen düsteren Raum in einem der alten Türme, dessen Boden kaum befestigt war.

Über schmale Holzplanken balancierte sie geschickt, während der Raum um sie herum vom sanften Wind umschmeichelt wurde und den örtlichen Tauben zahlreiche Nistplätze boten.

Die gedämpften Geräusche aus der Altarhalle erreichten sie, begleitet vom Gelächter der beiden Eldári, deren Anwesenheit bereits den Raum durchdrang.

Als sie den Kerzenschein aus der Halle erspähte, und sich darauf vorbereitete, über einen Balken zum Eingang der gegenüberliegenden Kanzel zu springen, stoppte sie abrupt.

Ein merkwürdiger, unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase.

Sarra blieb auf dem Balken stehen und spähte in die Dunkelheit des Raums, während sich ihre Sinne schärften und sie die Gefahr erkannte, die ihr im Verborgenen lauerte.

Sie vernahm nicht nur den beißenden Geruch von Sprengpulver in der Luft, sondern auch einen Hauch eines nussigen Duftes.

Die Spannung in der Kathedrale war greifbar, als sich Evan mit seiner Hand am Schwertgriff und der männliche Eldári mit dem bedrohlichen Morgenstern gegenüberstanden.

Die Atmosphäre war von einem stillen Pulsieren erfüllt, als würde die Kathedrale selbst den Atem anhalten.

»Du bist also der Halbdämon, nach dem sie suchen«, merkte der Eldári mit bedrohlicher Stimme an. »Besonders stark siehst du ja nicht aus.«

»Sei achtsam, Bardok«, gab seine Begleiterin zurück und streckte ihre Dolche bedrohlich vor. »Er mag vielleicht nicht so aussehen, aber Wenzel hat uns eindringlich vor ihm gewarnt.«

»Wenzel«, spuckte der muskulöse Eldári. »Was weiß der schon!«

Bardok spannte seinen Rücken an und machte einen großen Schritt auf Evan zu.

Doch mit geschmeidiger Eleganz landete plötzlich Sarra, die zuvor von der Kanzel gesprungen war, zwischen den dreien.

Ihr Auftritt schien wie ein plötzlicher Sturm, der durch die Halle wirbelte.

Die beiden Eldári wirkten für einen Moment überrascht, doch ihr Erstaunen wich schnell einer grimmigen Entschlossenheit.

»Sarra?«, fragte die weibliche Eldári und biss sich dabei überrascht auf die Lippe.

»Kyra«, gab Sarra giftig zurück. »Dass du es wagst, und Bardok, nun von dir, Hohlkopf, habe ich nichts anderes erwartet.«

»Halt dein Maul!«, schimpfte dieser.

Kyra setzte ein Lächeln auf und nahm eine entspannte Haltung ein. »Lang ist es her. Dass du dich aber auf die Seite dieses Halbdämons stellst, damit hätte ich nicht gerechnet.«

»Dass ihr euch Rowan und seinem Gefolge anschließt, damit hätte ich niemals gerechnet«, erwiderte Sarra.

Sie machte einen Satz zurück und senkte ihre Stimme, als sie zu Evan sprach. »Hör zu, wir haben ein Problem.«

»Ich sehe sie«, antwortete dieser, während sein scharfer Blick zwischen den Eldári hin und her wanderte.

»Das meine ich nicht. Die beiden haben Sprengsätze in der Kathedrale versteckt. Ich konnte keinen Zünder finden. Aber wir müssen sie schnell erledigen, ehe sie das ganze Gebäude in die Luft jagen.«

»Ist das dein Ernst?«, fragte Evan aufgebracht, mit weiten Augen.

Kyra verlor langsam die Geduld. Wie eine Schlange zischte sie und streckte einen ihrer Dolche nach vorn. »Was soll das Flüstern? – Hier sind wir.«

Evan und Sarra wurden still und blickten finster zu ihr und Bardok hinüber.

Der Halbdämon übernahm das Wort. »Wenn ihr Untergebene von Rowan seid, dann bringt mich zu ihm. Wenn er mein Blut will, dann kann er es bekommen, ohne, dass es vergossen wird.«

Bardok lachte schelmisch auf. »Was soll Rowan mit dir anfangen? Er will, dass du ihn in Ruhe lässt. Dafür sorgen wir!«

Mit lautem Gebrüll stürmte der Eldári auf den Halbdämon zu, den Morgenstern über seinem Kopf erhoben.

In letzter Sekunde konnte Evan dem Angriff ausweichen.

Mit einem lautem Donnern zerberstete neben ihm das Holz einer Sitzbank.

Erschrocken beobachtete Sarra die Szene. Doch sie musste schnell reagieren, denn Kyra sprang mit gestreckten Waffen auf sie zu.

Blitzartig zog Sarra ihre Dolche und konnte so den Angriff ihrer Gegnerin knapp abwehren.

Mit einem satten Tritt in den Magen, konnte sie Kyra von sich stoßen.

»Du hältst dich für so schlau!«, schrie diese angestrengt. »Aber du stehst auf der falschen Seite und merkst es nicht.«

Mit flüssiger Bewegung konterte Sarra Kyras Angriffe.

Ihre Dolche blitzten im schwachen Kerzenlicht der Kathedrale auf. Das metallische Aufeinanderprallen der Klingen erfüllte den Raum, begleitet von den Schritten der kämpfenden Gestalten.

Sarra, mit einer übermütigen Frechheit im Blick, schien einen Moment lang einen Vorteil zu gewinnen.

Evan hingegen hatte alle Hände voll zu tun, den gewandten Hieben von Bardok auszuweichen.

Der Morgenstern wirbelte wild umher, und obwohl Bardok eine schwere Lederrüstung trug, schien er erstaunlich agil zu sein. Jeder seiner Angriffe war präzise und zielgerichtet.

Der Halbdämon versuchte verzweifelt, eine Gelegenheit zu finden, um zum Gegenangriff überzugehen, doch Bardok ließ ihm keine Atempause. Immer wieder zwang er Evan in die Defensive.

Das Schwert des Halbdämons schwang durch die Luft, doch die Angriffe verpufften wirkungslos, während der Morgenstern ihm gefährlich nahekam.

Sarra und Kyra wirbelten weiter durch den Raum, ihre Klingen kollidierten erneut und erzeugten Funken im Halbdunkel der Kathedrale.

Das Krachen von Metall auf Metall vermischte sich mit den drohenden Schritten der Kämpfenden.

»Sag mir, wo Rowan ist!«, schimpfte Sarra und wehrte währenddessen einen Hieb ab.

»Niemals!«, gab Kyra angestrengt zurück. »Ich lasse nicht zu, dass ihr seine Pläne durchkreuzt!«

Kyra zwang Sarra zu Boden, aber sie nutzte die Chance nicht, um Sarra einen Dolchstoß zu versetzen.

Mit geschmeidigen Bewegungen sprang sie auf den Altar und griff nach einer flackernden Kerze. Zielgerichtet warf sie diese in den hölzernen Aufbau der Kanzel.

Wie gelähmt und mit weit aufgerissenen Augen blickte Sarra ihr hinterher. Sie wusste genau, was geschehen würde.

Nur einen Moment später ertönte ein lauter Knall, der in der gesamten Kathedrale widerhallte.

Flammen züngelten aus der Kanzel, und die Halle wurde von dunklem Rauch erfüllt.

________________

Leuven saß schweigend auf dem Kutschbock seines Planwagens, der sanft von Ida gezogen wurde.

Die Stute bewegte sich bedächtig durch die nahezu verlassenen Straßen, während sich die nächtliche Ruhe über die Stadt legte.

Nur noch wenige Menschen waren auf den Straßen unterwegs.

Einige feierten in den unzähligen Tavernen der Stadt, während sich andere bereits schwankend auf den Heimweg machten.

Der Tag hatte sich für Leuven als enttäuschend erwiesen, und die traurige Stimmung spiegelte sich in seinem Gesicht wider.

Selbst seine besten Kleidungsstücke brachten ihm nur einen Bruchteil dessen ein, was er sich vorgestellt hatte.

Er blies die Luft aus seinen aufgeplusterten Wangen. »Ach Ida, was sollten wir nur tun? – Nach Hause konnten wir nicht. Vielleicht in den Norden, ans Meer?«

Die Stute antwortete nicht, sondern bewegte sich weiter träge die Straße entlang.

»Oder nach Westen«, entgegnete Leuven und verzog seinen Mund. »In Cadeira soll es wunderschön sein. Weite Weinfelder, klare Seen und Flüsse und die besten Köstlichkeiten des Kontinents. O meine Liebe, das würde dir sicherlich gefallen. Ich habe soviel über das Land gehört.«

Dann atmete der junge Mann tief durch. »Aber vermutlich auch alles nur Lug und Trug.«

Plötzlich durchzuckte ein lauter Knall die nächtliche Stille, und sowohl Leuven als auch Ida schraken auf.

Sofort erfüllten aufgeregte Schreie die Luft, und die Menschen begannen sich hektisch umzusehen, ihre Augen voller Sorge und Verwirrung.

Einige zuckten zusammen und hielten sich die Ohren zu, während andere angestrengt versuchten, die Quelle des lauten Geräuschs ausfindig zu machen.

Die Stimmung war von plötzlicher Unruhe erfüllt, als sich schnell die Nachricht verbreitete, dass der Knall aus der Kathedrale gekommen war.

Ein ungutes Gefühl durchzog Leuvens Gedanken. Schnell konzentrierten diese sich auf einen bestimmten Punkt, Evan.

Ohne zu zögern wandte sich Leuven an Ida, seine treue Begleiterin. »Ich weiß, was du denkst, aber vielleicht brauchte er unsere Hilfe.«

Sie antwortete mit einem kurzen Wiehern. Dies vernahm der junge Kaufmann als Bestätigung seiner Worte.

Er trieb die Stute an, der Wagen drehte sich polternd, und sie eilten in die Richtung des ungewissen Geschehens.

In der Menge waren die Stadtwachen zu erkennen, die aufgeregt in die Richtung der Kathedrale stürmten.

Leuven musste sich beeilen, das war ihm bewusst.

Er nahm die Zügel entschlossen in seinen Griff.

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Der Rauch breitete sich in der Kathedrale aus, während die Flammen auf die Banner und alten, trockenen Stützpfeiler übergriffen.

Mit eleganten Sprüngen über den Altar konnte Kyra den Attacken von Sarra ausweichen.

Hämisch grinste sie und schlug mit einem gekonnten Fußtritt ihrer Gegnerin einen der Dolche aus der Hand.

Sarra bleckte wütend die Zähne. »Was erhofft ihr euch davon?«

»Was wir uns davon erhoffen?«, fragte Kyra lachend und blickte sich in der Kathedrale um. Das Bild erfreute sie. »Die Menschen sollen Ehrfurcht zeigen. Sie haben uns alles genommen, treten unsere Geschichte mit Füßen. Jetzt wehren wir uns!«

»Und ihr glaubt, so könnt ihr euer Ziel erreichen?« Sarras Gesicht drückte ihre Ungläubigkeit aus.

Kyra lächelte nur mit bösartigem Gesicht.

Evan tat sich noch immer schwer, Bardok einen Treffer zu versetzen.

Wild schlug dieser mit seinem Morgenstern um sich, warf Kerzenständer um, zerschlug Sitzbänke, doch auch ihm war kein Treffer vergönnt.

Der Halbdämon wich zur Seite, drehte sich in einer Bewegung und schlug mit seinem Schwert zu.

Knapp verfehlte er seinen Gegner.

Evan biss sich auf die Lippe. Dieser Kampf frustrierte ihn.

Ein gezielter Treffer und er konnte die Oberhand gewinnen. Doch dieser blieb ihm verwehrt. Auch sein schmerzendes Bein lenkte ihn immer wieder ab, pochte bei jedem Auftreten wild.

Das Feuer tanzte weiter durch die Kathedrale, begleitet von kleineren Explosionen, die durch weitere Sprengsätze verursacht wurden.

Die Hitze und der beißende Rauch setzten Sarra und Evan zu, doch sie kämpften verbissen weiter.

Sarra wirbelte geschickt zwischen den Flammen hindurch, ihre Dolche blitzten in der düsteren Kulisse auf. Kyra sprang elegant von einer zur anderen Seite, um den Angriffen auszuweichen.

Der Kampf zwischen den beiden Frauen war ein atemloses Ballett aus Angriffen und Ausweichmanövern.

Evan, der weiterhin gegen Bardok kämpfte, spürte die Verzweiflung in sich aufsteigen.

Die Explosionen und das Feuer machten den Kampf nicht nur gefährlicher, sondern auch schwerer zu führen.

Bardok wirbelte seinen Morgenstern wild umher. Um Haaresbreite hatte er Evans Kopf erwischt.

In diesem Moment donnerte das Eingangstor auf.

Die Stadtwache stürmte aufgeregt in die Kathedrale, gefolgt von Heidenreich.

Der Hauptmann der Stadtwache warf einen Blick auf die chaotische Szenerie und seine Miene verfinsterte sich.

Heidenreich, dessen stoische Haltung durch Erschütterung und Entsetzen durchbrochen wurde, schaute sich mit weit aufgerissenen Augen um.

»Was im Namen der Götter ist geschehen?«, rief Heidenreich aus, während er versuchte, die Umgebung zu erfassen.

Die Stadtwachen versuchten, die Flammen einzudämmen und die Ordnung wiederherzustellen, aber das Ausmaß der Zerstörung war bereits zu groß.

Evan ließ sich davon nicht ablenken, ganz im Gegensatz zu Bardok, der einen überraschten Blick auf die Neuankömmlinge wagte.

Der Halbdämon nutzte die Chance, wirbelte um den Eldári herum und schlug mit seinem Schwert zu.

Ein grotesker Schrei erfüllte die Kathedrale.

Bardok ging mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck auf die Knie.

Mit einem lauten, donnernden Geräusch schlug sein Morgenstern auf dem steinernen Boden auf.

Blut spritzte in jegliche Richtung.

»Du Bastard!«, rief er aus, als er bemerkte, dass Evan ihm die rechte Hand abgeschlagen hatte.

Die beiden Frauen unterbrachen ihren Kampf.

Entsetzt blickte Kyra zu ihrem Gefährten hinüber.

»Bardok!«, rief sie ihm

entgegen und wandte sich dann an Evan. »Dafür wirst du bezahlen!«

Sie warf ihren ganzen Körper Sarra entgegen und stieß sie zu Boden.

Ein entsetzter Blick wanderte zu Bardok.

»Es tut mir leid«, sagte sie mit einer unüberhörbaren Traurigkeit in ihrer Stimme. Dann wandte sie sich zähneknirschend an Sarra. »Wenn die Raben zu den Glockenschlägen singen, dann wird ein Sturm von Osten kommen.«

Mit einem giftigen Blick warf Kyra Sarra einen Kerzenständer entgegen und verschwand im dichten Rauch.

Sarra stieß den Kerzenständer von sich. Doch im dichten Nebel aus schwarzen Rauch konnte sie die Umrisse ihrer Feindin nicht mehr erblicken.

»Wenn die Raben zu den Glockenschlägen singen, dann wird ein Sturm von Osten kommen.« Dies war ein Satz der auch ihr geläufig war.

Er deutete auf eine drohende Katastrophe hin und es wäre ein frevelhaftes Verhalten ihn unbedacht zu nutzen.

Manche mochten es als Kriegserklärung wahrnehmen, doch diesem Satz wohnte eine tiefere Bedeutung inne. Ein unausweichliches Ereignis war im Anmarsch.

Die Eldári wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Evans Stimme in ihr Ohr drang. »Sarra!«

Sie schüttelte sich, als wäre sie gerade aus einer Trance erwacht. Ihr Blick fiel auf die lodernden Flammen die sich wie gefräßige Monster über die alten Holzbalken hermachten.

Sie schnellte zu dem Halbdämon hinüber, der sein Schwert bereits auf die nächste, sich anbahnende Bedrohung richtete.

Mit blitzender Klinge und entschlossener Miene stampfte Heidenreich auf die beiden zu.

»Wir sollten hier verschwinden und zwar schnell«, sagte Sarra hektisch.

Doch Heidenreichs raue Stimme tönte durch die Halle: »Stehen bleiben! – Im Namen von Regrat dem dritten, König von Brünnen, seid ihr hiermit festgenommen!«

Immer wieder unterbrach das Gejaule von Bardok die Stimmung.

Evan wirkte desillusioniert. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf.

Die Armbrüste der Stadtwache waren auf den Halbdämon und die Eldári gerichtet und Heidenreich streckte ihnen sein Schwert entgegen.

Das Feuer breitete sich weiter aus, hölzerne Balken schlugen durch die Decke und der Rauch umschloss sie immer weiter, nahm sie in einen engen Würgegriff.

»Hauptmann«, sprach einer der Stadtwachen. »Wir sollten verschwinden, ehe die Kathedrale einstürzt. Die Brandwache soll sich um die Löscharbeiten kümmern.«

Heidenreich knurrte wie ein wilder Hund. »Wenn ihr jetzt geht, dann sehe ich das als Dienstverweigerung an.«

Die Stadtwache schluckte den dicken Kloß hinunter, der sich in dessen Hals gebildet hatte.

Heidenreich wollte nicht nachgeben, er konnte es nicht. Er hatte dem König sein Wort gegeben. Es gab nichts, was über diesem stehen würde.

»Evan«, sagte Sarra hektisch. »Jetzt oder nie.«

Hitze flackerte in ihren Gesichtern, der Rauch kratzte in ihren Kehlen. Panik stieg in ihnen auf, als sie die brennende Kathedrale betrachteten.

Ein Inferno aus rotem und gelbem Feuer fraß sich durch das Gebäude, unaufhaltsam und gnadenlos.

Sarra, flink und wendig wie eine Katze, verbarg sich im Rauch und sprang auf eine Sitzbank.

Die Hitze der Flammen trieb ihr die Schweißperlen auf die Stirn, aber sie zögerte nicht. Mit einem beherzten Sprung erreichte sie die nächste Bank.

Sie konnte kaum ihre Hand vor ihrem Gesicht erkennen, geschweige denn den Ausgang aus dieser lodernden Hölle.

Brennendes Holz krachte zu Boden, Funken sprühten in alle Richtungen.

Ein ohrenbetäubender Lärm

erfüllte die Kathedrale, übertönt nur vom Knistern der Flammen und dem verzweifelten Husten der Eingeschlossenen.

Mit jedem Atemzug wurde die Luft giftiger, die Hitze unerträglicher.

Evan zögerte, doch er hatte keine andere Wahl.

Vor ihm sah er den aufgebrachten Heidenreich, der durch den dunklen Nebel direkt auf ihn zuschritt.

Neben ihm eine Wolke aus schwarzem Rauch. Der der letzte Ausweg zu sein schien.

Er schloss die Augen, vertraute seinen Instinkten und folgte Sarra.

Überrascht über diese Entscheidung, blieb Heidenreich stehen, schaute umher, in der Hoffnung, die Umrisse seines Zieles in der Nebelwand zu erkennen.

Verzweiflung trieb Evan an.

Die Hitze des Feuers brannte in seinen Lungen, der Rauch verdunkelte seine Sicht.

Blind sprang er von einer Sitzbank zur nächsten, die Hoffnung auf Rettung schwand mit jedem Atemzug.

Die Flammen züngelten nach ihm, ihre Hitze peitschte ihm ins Gesicht. Panik stieg in ihm auf, sein Herz hämmerte in seiner Brust. Wo war der Ausgang? Wo war Sarra?

Plötzlich spürte er festen Boden unter den Füßen. Er hatte es geschafft.

Er war am Ausgang. Doch die Freude währte nur kurz.

Die Soldaten der Stadtwache traten ihm und Sarra entgegen, die Armbrüste auf sie gerichtet.

Ein knisternder Holzbalken fiel direkt hinter Evan und Sarra nieder.

Es schien, als hätten sie keine andere Wahl, als sich den Stadtwachen zu stellen.

Sarra, voller Entschlossenheit, sprang filigran nach vorn und landete geschickt vor den perplexen Stadtwachen.

Ihre Dolche blitzten im flackernden Licht der Flammen.

Evan erkannte den Hauptmann, der den Rückweg angetreten hatte und stampfend auf sie zuschritt.

Heidenreich zögerte einen Moment, sein Schwert gegen den Halbdämon zu erheben.

Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass seine Gedanken um ihn kreisten. War es das alles wert? – Sollte er den Halbdämon jagen oder alles erdenkliche tun, um zumindest die Reste des Allerheiligsten zu retten.

Für Evan aber stand fest, Heidenreich war eine genauso große Gefahr wie die lodernde Feuersbrunst.

Er blickte zu den Soldaten der Stadtwache, von denen sich einige loseisten, um ihn ins Visier zu nehmen.

„Sarra, halt sie auf!“, rief Evan durch den Rauch, während er Heidenreich wieder ins Auge fasste.

Die Stadtwachen, zögerten, bevor sie von Sarra attackiert wurden.

Es war ein kurzer, intensiver Kampf zwischen der gewandten Eldári und den überforderten Stadtwachen.

Mit einem wütenden Gebrüll stürmte Heidenreich auf Evan zu, sein Schwert hoch erhoben. Seine Entscheidung war gefallen.

Dieser feige Angriff auf die Kathedrale musste in seinen Augen vergolten werden.

Die Schwerter prallten mit einem lauten Aufprall aufeinander, Funken sprühten in alle Richtungen.

Evan war überrascht von der rohen Kraft, die von Heidenreich ausging.

Die beiden Männer standen sich einen Moment lang gegenüber, ihre Blicke voller Abneigung.

Geschickt wandte sich Evan um Heidenreich herum, stieß ihn gegen eine der Sitzbänke.

Jetzt oder nie, nur ein kurzer Augenblick blieb ihm zur Flucht.

Evan sprintete in Richtung des Ausgangs, der von den Flammen erleuchtet wurde.

Heidenreich, von Zorn erfüllt, stürmte ihm hinterher, sein Schwert fest in der Hand.

Sarra, die den Kampf mit den Stadtwachen rasch beendet hatte, bemerkte Evans Flucht.

Mit geschmeidigen Bewegungen stieß sie zwei der Stadtwachen beiseite und folgte dem Halbdämon und dem wütenden Hauptmann.

Am anderen Ende der Halle kniete Bardok. Er atmete schwer. Der Rauch hatte ihn wie ein Schleier des Todes

umhüllt.

Er blickte weiterhin auf den blutenden Armstumpf. Die Gewissheit seines nahenden Todes spiegelte sich in seinen Augen.

Er verfluchte den Halbdämon für seine Tat. Doch ein grässliches Grinsen fuhr plötzlich durch sein Gesicht.

»Dadan tuley at kotavat!«, schrie er auf, was auf Eldárisch soviel bedeutete wie »Der Tod wird dich bald holen«.

Unter jaulenden Flüchen wurde Bardok von brennendem Schutt begraben.

Sein groteskes Schreien vereinte sich mit dem infernalen Feuerspektakel.

Die Kathedrale, einst ein Ort der Ruhe und Andacht, war nun zu einem Ort des Unheils und des Todes geworden.

Vor der Kathedrale herrschte geschäftiges Treiben.

Die Brandwache und die tapfere Stadtbevölkerung arbeiteten Hand in Hand, um das Feuer zu löschen.

Mit einfachen Löschpumpen und Eimern voller Wasser und Erde versuchten sie, den Flammen Herr zu werden. Doch es schien eine unstemmbare Aufgabe zu sein.

Evan stürmte keuchend und hustend aus dem brennenden Inferno.

Seine Augen suchten nach einem Ausweg durch die Menschenmenge, während Heidenreichs wütendes Gebrüll ihm immer näherkam.

Plötzlich hörte Evan das Wiehern eines Pferdes und das Fluchen einer bekannten Stimme.

Sein Blick schnellte umher und er erkannte den Planwagen von Leuven, der mit erstaunlicher Geschwindigkeit herangebraust kam.

Der Wagen blieb abrupt vor ihm stehen, und ein überraschter Leuven blinzelte den Halbdämon verschmitzt an.

Panisch suchte Evan in der Menschenmenge nach Sarra, konnte sie jedoch nicht ausfindig machen.

Der heranstürmende Heidenreich kam immer näher. Eine schnelle Entscheidung musste her.

Er sprang auf den Wagen und befahl Leuven, loszufahren.

Stammelnd nahm Leuven die Zügel fest in die Hand, die Stute jaulte auf, und der Planwagen setzte sich in Bewegung.

Heidenreich konnte ihnen nur noch schwer atmend hinterherschauen, während einer der Türme der Kathedrale im Hintergrund langsam in sich zusammenfiel.

»Verflucht!«, rief Heidenreich in die Nacht hinein und ließ klirrend sein Schwert zu Boden fallen.

Es brodelte in ihm. Er hatte versagt.

Seine wütenden Augen richteten sich auf die Kathedrale und das Ausmaß der Zerstörung die ihr in jener Nacht widerfuhr.

Aufgebrachte Schreie hallten durch die Menschenmenge. Eine solche Katastrophe hatte Rabensberg noch nie erlebt. Das Wahrzeichen für den Frieden und den Glauben wurde auf brutalste Art geschändet.

Die letzten Stadtwachen kamen panisch aus dem Inferno heraus geprescht.

Für Heidenreich war dies die größte Niederlage, die er je hinnehmen musste.

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Ein dichter Rauchvorhang hing über der Stadt, ein beklemmendes Zeugnis der vergangenen Nacht.

Die Kathedrale, einst ein Symbol der Pracht und des Glaubens, war nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Verkohlte Mauern ragten in den Himmel, ein trauriges Monument der Zerstörung.

Unermüdlich kämpften die Einwohner gegen die letzten Flammen.

Unter der Anleitung der Brandwache und der Stadtwache packte jeder mit an, vom einfachen Bauern bis zum angesehenen Kaufmann.

Schaufeln und Eimer wurden gereicht, Wasser in die Glut geschüttet, verkohlte Trümmer beiseite geräumt.

Es war ein Kampf gegen die Zeit und die Verzweiflung.

Die Trauer über den Verlust der Kathedrale war tief, aber gleichzeitig wuchs der Zusammenhalt der Stadtbevölkerung.

In dieser Stunde der Not zeigten sie sich vereint und entschlossen, das Unfassbare zu bewältigen.

Erschöpfte Gesichter, von Ruß und Rauch geschwärzt, spiegelten die Strapazen der Nacht wider.

Trotz der Müdigkeit und des Schmerzes gaben die Einwohner nicht auf.

In der Ferne beobachtete König Regrat die Szenerie von seinem Arbeitszimmer aus.

Sein Blick lag auf der Kathedrale, die in Rauchschwaden gehüllt war, und sein Gesicht verriet Wut und Enttäuschung.

Die Adern an seinem Hals pulsierten vor Ärger, als er die Tragödie vor seinen Augen sah.

»Das ist nicht nur ein Angriff auf unseren Glauben, das ist eine Kriegserklärung an das gesamte Königreich«, sprach er, ohne seinen Blick von der Katastrophe abzuwenden.

Hinter ihm ertönte die Stimme von Heidenreich. »Euer Gnaden, ich trage die volle Verantwortung für das Geschehene.«

Regrat wandte sich abrupt zu Heidenreich um. Schaute ihn kritisch an. »Da gebe ich Euch Recht. Es liegt in Eurer Verantwortung. Ein Dämon und drei Eldári verüben ein Attentat auf unsere heilige Kathedrale und die Stadtwache ist nicht in der Lage, diese zu hindern.«

Kurz schwieg der König, dann fuhr er fort, während er den Hauptmann scharf anblickte. »Davon darf nichts nach außen dringen. Es war ein Unfall, haben wir uns verstanden? – Eine Tragödie an deren Aufarbeitung wir arbeiten. Kein Wort über einen Dämon oder die Eldári. Das würde mich in keinem guten Licht dastehen lassen.«

»Ich verstehe, Euer Gnaden«, gab Heidenreich reumütig zurück.

Der König verzerrte sein Gesicht. »Ich bin nicht froh über diese Entscheidung, aber ich habe nach langen Überlegungen beschlossen, nun doch die Gilde der Dämonenjäger hinzuzuziehen. Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getroffen, aber ich kann diese Monster nicht frei in meinem Reich herumlaufen lassen. Sie müssen beseitigt werden. Schnellstmöglich.«

Regrat schnalzte mit der Zunge. »Außerdem habe ich meinen Geheimdienst darum gebeten, die Sache weiter zu untersuchen. Die Aktivitäten der Cardíz an unserer Grenze, der Anschlag auf die Kathedrale, da muss es einen Zusammenhang geben.«

»Euer Gnaden, Ihr denkt, die Cardíz stecken dahinter?«

Der König schaute den Hauptmann erbost an. »Seitdem dieses Miststück Kaiserin ist, können wir uns nicht mehr sicher fühlen. Ihre Raubtiere fletschen an der Grenze mit ihren Zähnen und unser Allerheiligstes wird angegriffen. Ich bin mir sicher, dass Kaiserin Galina der Ursprung allen Übels ist. Ich werde mich mit dem Kriegsminister beraten, außerdem werde ich mich mit den Herrschern aus Brilonia, Cadeira und Wallau beraten. Der gesamte Kontinent ist in Gefahr.«

»Euer Gnaden, wenn ich meine Meinung dazu äußern dürfte.«

»Dürft ihr nicht«, gab der König erbost zurück. »Ihr könnt froh sein, dass ich Euch nicht öffentlich auspeitschen lasse. Ich werde Euch von Eurem Dienst als Hauptmann der Stadtwache entbinden.«

»Euer Gnaden, ist das Euer Ernst?«, fragte Heidenreich schockiert.

»Ihr habt mir gezeigt, dass Ihr nicht fähig seid, diesen Posten zu bekleiden. Wir haben Schwäche gezeigt, Ihr habt Schwäche gezeigt. Das schadet nicht nur der Sicherheit des Reiches, sondern auch meinem Ansehen.« Die Augenlider von Regrat begannen aufgeregt zu zucken. »Aber ich lasse Gnade walten.«

Gnade? – Für Heidenreich fühlte es sich wie ein Dolchstoß in seinen Rücken an. Eine größere Schande konnte es für ihn nicht geben. Aber seine Wut richtete sich nicht auf den König, nein, der Schuldige war ein gewisser Halbdämon. Die roten Augen, dieser giftige Gesichtsdruck und die schwarzen Haare, verhüllt unter einer dunklen Kapuze. Er sah ihn klar und deutlich vor sich.

Seine Mundwinkel zuckten, sein Gesicht spannte sich an. Der Hauptmann war tief in seinem Hass versunken, ehe die Stimme des Königs ihn aus den tiefen seiner Gedanken Riss.

»Heidenreich.« König Regrat schaute ihn kritisch an. »Ich werde Eure Fähigkeiten an anderer Stelle benötigen.«

Der Hauptmann blickte ihn verwundert an. »Ihr werdet mich nicht aus meinem Dienst entlassen?«

»Ihr habt einen Eid geschworen«, begann der König und fuhr einer kurzen Atempause fort. »Das Königreich und seine Bewohner zu beschützen. Diesen Dienst fordere ich weiterhin von Euch ein.«

Heidenreichs Herz klopfte wild in seiner Brust. Trotz seines Versagens sollte er eine weitere Gelegenheit bekommen, seine Fähigkeiten zu beweisen und seinen Namen reinzuwaschen. Seine Gedanken klarten auf, als er seinen Auftrag entgegennahm.

»Lord Hagen von Dannenbrück scheißt mich regelrecht mit Briefen zu. Das Verschwinden seines Sohnes macht ihm große Sorgen und ich gewähre ihm Hilfe. Sucht diesen Rotzlöffel und bringt ihn wohlbehalten nach Dannenbrück zurück. Lord Hagen befiehlt die Soldaten an der östlichen Grenze. Er soll sich gefälligst um seine Pflichten kümmern und nicht seinem Sohn hinterhertrauern.«

Heidenreichs Blut kochte.

Schlimmer als die Entlassung, schlimmer als die Demütigung vor dem König, war dieser Auftrag: Ein Rotzlöffel, ein Bengel, ein nichtsnutziger Adeliger, der sich aus dem Staub gemacht hatte – und er sollte ihn nun finden. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Stadt brauchte seine Anwesenheit, seinen Schutz, und er sollte seine Zeit damit verschwenden, einem verwöhnten Balg hinterherzujagen?

Wut und Frustration brannten in seiner Brust.

Mit eiserner Selbstbeherrschung presste er die Worte hervor: „Sehr wohl, Euer Gnaden.“

Es fühlte sich wie tausend Nadelstiche an, diese Worte über seine Lippen zu bringen.

„Erledigt diese Aufgabe schnell und diesmal ohne große Aufmerksamkeit“, sagte der König. „Der Lord soll seine Truppen bereithalten und seine Gedanken nicht an solch einen Unsinn verschwenden. Der Name seines Sohnes lautet Leuven. Leuven von Dannenbrück. Zuletzt wurde er gesehen, wie er die Tore von Dannenbrück mit einem Planwagen Richtung Westen verlassen hat.“

„Ich werde ihn finden“, sagte Heidenreich, und seine Stimme klang wie ein Knurren. „Ich werde nicht versagen, nicht noch einmal.“

Der König musterte ihn mit einem kalten Blick. „Das hoffe ich. Tut Eure Pflicht. Danach sprechen wir darüber, wie Ihr fortan dem Königreich dienen werdet.“

Heidenreich verneigte sich tief, sein Zorn brodelte in ihm.

Er würde diesen Auftrag erfüllen, ja. Aber er würde es auf seine eigene Art tun. Und wenn dieser Leuven am Ende mit einer ordentlichen Portion Demut im Gepäck nach Hause zurückkehrte, dann wäre es ihm nur recht.

Mit angespannten Muskeln verließ er das Arbeitszimmer des Königs.

Heidenreich schwor sich, dass er diesen Auftrag nicht nur zum Erfüllen, sondern auch zur Genugtuung nutzen würde.

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Die Sonne stand an ihrem höchsten Punkt, als Evan und Leuven endlich weit genug von Rabensberg entfernt waren, um eine Rast einzulegen.

Erschöpft ließen sie sich an einem kleinen Bach nieder, der munter vor sich hinplätscherte.

Während Evan mit knurrendem Magen auf die Jagd nach Proviant ging, kümmerte sich Leuven um die Feuerstelle.

Holzsammeln war ihm mittlerweile zur zweiten Natur geworden.

Schon fast routiniert entfachte er ein munteres Feuer, dessen Flammen hungrig nach oben züngelten.

Leuven hockte sich auf einen gefällten Baumstamm und versank im Anblick des Feuers.

Die tanzenden Flammen, die im Windhauch flackerten, hypnotisierten ihn.

Der würzige Duft von Rauch stieg hinauf und die wohlige Wärme vertrieb die kühle Morgenluft.

Ein Gefühl von Geborgenheit breitete sich in ihm aus.

Evan kehrte mit zwei Kaninchen in seinen Händen zurück, die Leuven geschickt über dem Feuer zubereitete, nachdem Evan diese vorbereitet hatte.

Der Duft von gebratenem Fleisch vermengte sich mit dem Rauch des Lagerfeuers und dem Knistern der Flammen.

»Ich muss zugeben, du scheinst ein besserer Koch, als ein Kaufmann zu sein«, scherzte Evan, nachdem er genüsslich einen Bissen von der Mahlzeit verschlungen hatte.

»Das Geheimnis sind die Gewürze«, antwortete Leuven stolz. »Ich bin deinem Rat gefolgt und habe einige meiner Sachen verkauft. Dafür habe ich mir neue Kleider und etwas Proviant besorgt. Ich muss zugeben, diese Entscheidung war richtig. Ich musste mich einfach von den Sachen trennen.«

Evan musterte den jungen Mann mit prüfendem Blick. »Und dein grünes Wams?«

Leuven zögerte.

Das grüne Wams, zusammen mit der beigen Hose und dem passenden Barrett, war seine liebste Kombination. Davon wollte er sich nicht trennen. „Ich wollte wenigstens diese Teile behalten. Als Erinnerung.“

Evan schmatzte und nickte. „Als Erinnerung, hmm? Immerhin hast du auf mich gehört.“

Leuven wirkte nachdenklich. „Und was hast du jetzt vor? Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?“

Evan legte seine Mahlzeit beiseite. „Ich habe zwar einige Informationen erhalten, aber leider wird meine Liste dadurch nur noch länger. Ich habe keinen Anhaltspunkt, wo ich weitersuchen sollte.“

„Nun, wenn du möchtest, nehme ich dich weiter mit. Ich habe beschlossen, weiter nach Norden, an die Küste zu reisen“, schlug Leuven vor.

Evan nahm nachdenklich einen Bissen von seiner Mahlzeit und kaute bedächtig. „Nach der Sache in Rabensberg wäre es vielleicht keine kluge Idee, zu Fuß weiterzureisen. Bis zur Küste begleite ich dich.“

„Gut, das freut Ida sicher auch“, gab der junge Mann freudig zurück und schaute zur Stute hinüber, die gemütlich graste.

„Ida?“, fragte Evan verdutzt nach. „Du hast sie Ida genannt?“

Leuven grinste. „Ja, und mir ist egal, was du sagst, es ist der perfekte Name für sie.“

Evan schmunzelte. Ein seltenes Bild.

„Alles gut“, sagte er. „Ich bin froh, dass du dich nach all den bescheuerten Ideen für einen normalen Namen entschieden hast.“

Leuven errötete leicht. „O, ähm, dann ist ja gut.“

Evan stand auf, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und warf die Knochen seiner Mahlzeit fort.

Der Fluss plätscherte weiterhin friedlich dahin, und die Natur um sie herum schien den Streit und das Chaos von Rabensberg vergessen zu haben.

Der Himmel war klar, und die Sonne strahlte auf sie herab.

„Übrigens“, begann Leuven und verschluckte sich beinahe an seinem Essen. „Du hast dein Gepäck in meinem Wagen vergessen.“

Der Halbdämon riss die Augen vor erschrecken auf.

Wie ein aufgescheuchtes Huhn sprang er zum Wagen hinüber, riss die Plane zur Seite und atmete erleichtert auf, als er seinen Reisesack entdeckte.

In all der Aufregung und seinem Drang nach Antworten hatte Evan ihn komplett vergessen. Aber all sein Besitz befand sich darin. Erinnerungen an vergangene Tage, sein Tagebuch, die Liste seiner Feinde und all das, was er für seine Reise benötigte.

Leuven legte seinen Teller ab und stand auf.

Mit verschmitztem Lächeln wandte er sich Evan zu. „Ich sagte doch, das Schicksal hat uns zusammengeführt.“

Der Halbdämon drehte sich abrupt um, bleckte die Zähne wie ein wilder Wolf. »Hör auf damit! So etwas wie ein Schicksal gibt es nicht. Ich habe meinen Sack einfach vergessen, weil ich mit den Gedanken woanders war. Punkt, aus.«

Leuven zuckte mit den Schultern. »Na gut, wenn du meinst.«

Er wollte keine weitere Diskussion beginnen. Die vergangenen Tage hatten ihm viel Kraft gekostet, und die letzte Energie, die er noch besaß, wollte er nicht an einen sinnlosen Streit verschwenden.

»Wir sollten weiterziehen und keine Zeit verlieren«, sagte Evan schließlich, als er merkte, dass seine Worte an dem jungen Mann abprallten.

Er zog die Plane des Wagens wieder zurecht.

»Jetzt schon?«, protestierte Leuven. »Können wir nicht noch ein wenig die Ruhe genießen?«

Evan schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen aufbrechen. Es wäre kein Wunder, wenn die Männer des Königs bereits auf unserer Fährte sind. Meide am besten auch die Hauptstraßen. Je weniger Aufmerksamkeit wir erregen, desto besser.«

Leuvens Stirn legte sich in Falten. »Dann bräuchten wir aber mindestens doppelt so lange, ehe wir die Küste erreichen.«

»Das mag sein«, sagte Evan düster. »Aber sie werden nach uns suchen.«

»Nach uns? Weshalb denn nach uns?« Leuvens Augen weiteten sich vor Schreck.

»Du hast mir zur Flucht verholfen«, sagte Evan. »Also werden sie auch nach dir suchen. Du bist mein Komplize.«

»Was redest du da? Ich bin doch nicht dein Komplize!« Leuven empörte sich. »Ich habe dich gerettet!«

Evan schaute ihn, mit erhobenem Zeigefinger, an. »Erstens, du hast mich nicht gerettet. Ich hatte alles unter Kontrolle. Zweitens, das wird den Männern des Königs egal sein, aus welchem Grund du da warst.«

Leuven erschrak. Panik schnürte ihm die Kehle zu. „Worauf warten wir denn noch? Wir müssen sofort abhauen!“, stieß er hervor.

Hektisch schüttete er Sand auf das Lagerfeuer, um es zu ersticken. Die Glut zischte und knisterte.

Leuvens Hände zitterten, getrieben von der Angst, die ihn wie ein eisernes Band umschloss.

Evan hingegen war die Ruhe selbst.

Er nickte knapp. „Du brauchst aber auch nicht in Hektik zu verfallen.“ Seine Worte klangen rau und unnahbar, seine Miene war ernst.

Die Ereignisse der letzten Tage hatten Spuren hinterlassen, sein Körper war noch geschwächt, seine Wunde am Bein pochte leicht auf, wie ein schwacher Herzschlag.

Mit angespannten Schritten führte Leuven Ida zum Planwagen.

Seine Anspannung entlud sich in kurzen, abgehackten Sätzen. „Beeil dich!“, rief er, seine Stimme angespannt.

Evan wandte ihm einen kurzen Blick zu, in seinen Augen lag ein Hauch von Unmut. „Ich komme schon.“

Der Halbdämon half dem jungen Kaufmann beim Anspannen der Stute.

Rasch schwang sich Leuven auf den Kutschbock, nahm die Zügel in die Hand.

Evan hingegen kletterte gemächlich durch die Plane in den Wagen.

„Ich werde mich ein wenig ausruhen müssen“, sagte er mit gepresster Stimme. „Wir müssen so schnell wie möglich weiter, aber mein Bein braucht Zeit zur Genesung.“

Leuven nickte stumm.

Anspannung lag wie ein dichter Nebel über ihm.

Die Geräusche der Natur nahmen sie auf ihrer Flucht mit, während der Planwagen bedächtig den Bach entlang rollte.

Das Rauschen des Wassers, das Zwitschern der Vögel und das leise Klappern der Hufe auf dem Weg bildeten eine harmonische Melodie.

Im Inneren des Wagens spürte Evan die sanfte Bewegung und schloss die Augen.

Die Ereignisse in Rabensberg und die anschließende Flucht hatten ihren Tribut gefordert.

Seine Muskeln schmerzten, sein Kopf brummte, sein Bein konnte sich kaum erholen.

Endlich konnte er für einen Moment die Anspannung loslassen und seinen Körper ruhen lassen.

Leuven, auf dem Kutschbock sitzend, ließ den Blick über die friedliche Landschaft schweifen.

Der Anblick des hellblauen Baches, der sanften Wiesen und des dichten Waldes beruhigte seine aufgewühlten Gedanken.

Die Sonne tauchte die Landschaft in ein warmes Licht.

Die Zeit schien still zu stehen, während die beiden Gefährten ihre Reise fortsetzten.

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